Im Blickpunkt

Im Blickpunkt

Abbildung 7

Bekanntermaßen fehlt im Bundeshaushalt Geld. Nun gehen die Parteien mit unterschiedlichen Konzepten an die Schließung der Finanzierungslücke. Die einen wollen sparen, die anderen wollen Steuern erhöhen. Im Zusammenhang mit Steuererhöhungen wird wieder einmal oder immer wieder die Erbschaftsteuer und Vermögensteuer in den Fokus gestellt. An keiner anderen Steuerart wird so deutlich, dass das Sparen gegenüber dem Konsum diskriminiert wird. Vermögen wird durch Konsumverzicht gebildet. Da der Grundstock des Vermögens, das Einkommen, bereits mit Ertragsteuer belastet ist, findet bei der Weitergabe des Vermögens durch die Erbschaftsteuer eine klassische Doppelbesteuerung statt. Selbstverständlich lässt sich für die Erhebung der Erbschaftsteuer eine juristische Begründung finden. Diese kann aber an der Tatsache nichts ändern, dass eine doppelte Steuererhebung stattfindet, während derjenige, der keinen Konsumverzicht geübt hat, nichts weitergeben kann und damit auch keine Berührung zur Erbschaftsteuer aufweist. Ist das tatsächlich gerecht? Gleiches gilt für die Vermögensteuer, nur mit der Ausnahme, dass in diesem Fall die Person von der Vermögensteuer betroffen ist, die auch bereits Einkommensteuer gezahlt hat, während bei der Erbschaftsteuer mindestens zwei Personen betroffen sind. Die Benachteiligung des Sparens lässt sich aber auch bei der Einkommensteuer feststellen. Bereits im Jahre 1929 beschrieb der österreichische Nationalökonom Joseph das Problem so: “Was der Sparer von dem gesparten Einkommensteil hat, ist der Ertrag aus seiner Investition. Dieser Ertrag wird zweimal geschmälert. Zuerst dadurch, dass die auf die Sparsumme entfallende Einkommensteuer den Ertrag kleiner macht als er sonst wäre und sodann dadurch, dass von diesem also durch die Einkommensteuer schon verringerten Betrag nochmals Einkommensteuer zu zahlen ist” (zitiert nach Greß/Rose/Wiswesser, Marktorientierte Einkommensteuer, 1998, S. 20). An diesem Befund hat sich auch fast 100 Jahre später nichts geändert. Teile der Politik ignorieren dieses Problem, schlimmer noch: Sie sind auf dem besten Weg, die durch die Doppelbelastung des Sparens durch Einkommensteuer und durch die Erhebung einer Vermögensteuer bzw. Erhöhung der Erbschaftsteuer bewirkte Diskriminierung gegenüber dem Konsum noch weiter zu verschärfen.

Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht

BB 2025, 2069