Boniverbote zur Energiepreisbremse – mit heißer Nadel gestrickt

Boniverbote zur Energiepreisbremse – mit heißer Nadel gestrickt

Abbildung 1

 

 

 

Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr strafrechtlicher Sanktionen wegen Untreue (§ 266 StGB) bei verbotswidrigen Leistungen unter Verstoß gegen § 29a EWPBG bzw. § 37a StromPBG.

Immer, wenn Gesetze “mit heißer Nadel gestrickt” werden, steht die Praxis vor besonderen Herausforderungen. Dies gilt auch in Bezug auf die arbeitsrechtlich relevanten Vergütungsregelungen im – am 24.12.2022 in Kraft getretenen – Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG, BGB. I, 2560) bzw. Strompreisbremsengesetz (StromPBG, BGBl. I, 2512). Quasi in letzter Sekunde wurde – in Anlehnung an § 9 Abs. 1 bis 3 WSF-DV – ein sog. “Boni- und Dividendenverbot” in § 29a EWPBG bzw. inhaltsgleich in § 37a StromPBG eingefügt. Diese Vorschriften haben den Zweck, dass staatliche Fördergelder nicht ohne Weiteres als Vergütungsbestandteile oder Gewinnausschüttung an die Organmitglieder der staatlich geförderten Unternehmen fließen. Unternehmen, die staatliche Hilfen in besonderer Höhe in Anspruch nehmen, sollen Ausgaben, die Einzelnen besonders zugutekommen, für die Zeit der Förderung einsparen (vgl. BT-Drs. 20/4911, 127; 20/4915, 152).

Erhält ein Unternehmen bei Erfüllung der Arbeitsplatzerhaltungspflichten nach § 29 EWPBG bzw. § 37 StromPBG (dazu Kleinebrink, DB 2023, 516) im Rahmen der Maßnahmen zur Energiepreisbremse vom Staat Entlastungssummen (Abs. 7) von über 25 bis 50 Mio. Euro, darf es “Mitgliedern der Geschäftsleitung des Unternehmens sowie Mitgliedern von gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorganen des Unternehmens bis zum Ablauf des 31.12.2023 keine Boni, anderen variablen oder vergleichbaren Vergütungsbestandteile unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen oder über das Festgehalt hinausgehende Vergütungsbestandteile i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG gewähren, die jeweils nach dem 1.12.2022 vereinbart oder beschlossen worden sind” (Abs. 1 S. 1); Entsprechendes gilt für Erhöhungen von bereits am oder vor dem 1.12.2022 vereinbarten oder beschlossenen Boni bzw. vergleichbaren Vergütungsbestandteilen (Abs. 1 S. 2) sowie für die Gewährung von freiwilligen Vergütungen oder rechtlich nicht gebotenen Abfindungen (Abs. 1 S. 3). Beim Bezug von Entlastungssummen von über 50 Mio. Euro gelten entsprechende Verbote wie in Abs. 1 S. 1 unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinbarung bzw. des Beschlusses (Abs. 4) sowie ein Verbot der Leistung von Dividenden oder nicht geschuldeten Gewinnausschüttungen (Abs. 5). Darüber hinaus “darf kein Mitglied der Geschäftsleitung des Unternehmens [. . .] eine Vergütung erhalten, die über die Grundvergütung vor dem 1.12.2022 hinausgeht”; lediglich ein Inflationsausgleich ist zulässig (Abs. 3). Betroffene Unternehmen haben nach Abs. 6 die Möglichkeit zum “Opt Out” und können bis zum 31.3.2023 gegenüber der Prüfbehörde formlos “erklären, dass sie eine Förderung nach dem [EWPBG] und dem [StromPBG] mit einer Entlastungssumme über 25 Mio. Euro nicht in Anspruch nehmen werden und somit nicht den Pflichten nach den Absätzen 1 und 5 unterliegen”.

Diese Normen werden zahlreiche Fragen auf (vgl. Wehner/Hotze, DB 2023, 643): Sie gelten nur, wenn ein “Unternehmen” insgesamt eine Entlastungssumme von über 25 Mio. Euro bezieht. “Unternehmen” meint den jeweiligen Rechtsträger, der Entlastungsbeträge erhält, und nicht den Konzern. “Unternehmen” ist legaldefiniert als “jeder Rechtsträger, der einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr betreibt” (§ 2 Nr. 13 EWPBG, § 2 Nr. 25 StromPBG). Zudem wird bewusst zwischen “Unternehmen” und “verbundenen Unternehmen” differenziert (vgl. § 2 Nr. 16, §§ 18 f. EWPBG, § 2 Nr. 28, §§ 9, 11 StromPBG).

Missverständlich ist der Wortlaut von Abs. 3. Danach dürfte nach dem 1.12.2022 keine höheren Grundvergütung als bis zum 1.12.2022 gezahlt werden, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der relevanten Vereinbarung. Laut Gesetzesbegründung ist allerdings auf den Zeitpunkt der entsprechenden Vereinbarung abzustellen, um eine Umgehung der Verbote nach Bekanntwerden der Regelung zu vermeiden (vgl. BT-Drs. 20/4911, 127; 20/4915, 152).

Abs. 6 enthält ein offenkundiges Redaktionsversehen: Das Opt-out eine Unternehmens durch Nichtinanspruchnahme einer Entlastungssumme von über 25 Mio. Euro führt dazu, dass sie nicht den Pflichten nach den “Absätzen 1 bis 5” (nicht: “Absätzen 1 und 5”) unterliegen.

Unklar sind auch die Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 29a EWPBG bzw. § 37a StromPBG. Eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit ist nicht vorgesehen (vgl. § 38 EWPBG, § 43 StromPBG). Allerdings dürfte es sich jeweils um ein Verbotsgesetz handeln, das sich gegen das jeweilige zivilgerichtliche Erfüllungsgeschäft (“gewähren”, “erhalten”, “leisten”) richtet und zur Nichtigkeit auch des Verpflichtungsgeschäfts führt, “wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt” (§ 134 BGB). Gegen § 29a EWPBG bzw. § 37a StromPBG verstoßende Vergütungsvereinbarungen führen also nur zur Teil-Nichtigkeit und lassen die Vergütungsansprüche (z. B. auf die Grundvergütung vor dem 1.12.2022) unberührt. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die Gefahr strafrechtlicher Sanktionen gegenüber den zuständigen Gesellschaftsorganen wegen Untreue (§ 266 StGB), wenn Leistungen an Mitarbeiter gewährt werden, auf die kein Anspruch besteht (vgl. jüngst BGH, 10.1.2023 – 6 StR 133/22, NZA 2023, 301). Dies gilt auch bei verbotswidrigen Leistungen unter Verstoß gegen § 29a EWPBG bzw. § 37a StromPBG.


Prof. Dr.
Mark
Lembke
, LL.M. (Cornell), RA/FAArbR, Attorney-at-Law (New York), ist Partner bei Greenfort in Frankfurt am Main sowie Honorarprofessor der Universität Heidelberg.


Miriam
Launer
ist Rechtsanwältin und Senior Associate bei Greenfort.

 

Lembke/Launer, BB 2023, Heft 16, Umschlagteil, I