Im Blickpunkt

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Abbildung 16

Das BAG hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Sanktion ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG iRe. Massenentlassungsverfahrens nach sich zieht. Mit seinem Beschluss hat das BAG zunächst keine Entscheidung getroffen, sondern die Angelegenheit dem EuGH vorgelegt (BAG, Beschluss vom 27.1.2022 – 6 AZR 155/21 (A), dazu Pressemitteilung 4/22). Der EuGH soll zunächst klären, welchen Zweck die in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der Massenentlassungsrichtlinie der Europäischen Union (EU) vom 20.7.1998 (RL 98/59 EG – MERL) vorgegebenen Einbindung der zuständigen Behörde im Konsultationsverfahren hat. Erst danach könne die Norm des § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG hinsichtlich der Frage ausgelegt werden, ob die Vorschrift als Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB anzusehen ist. In diesem Falle wäre die Kündigung unwirksam (vgl. auch LAG Hessen, Urteil vom 25.6.2021 – 14 Sa 1225/20 (sog. “Soll-Angaben”) und LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021 – 7 Sa 405/21). In dem der BAG-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde das im Falle einer Massenentlassung erforderliche Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt. Entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, der Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL in nationales Recht umsetzt, wurde der zuständigen Agentur für Arbeit keine Abschrift der das Konsultationsverfahren einleitenden und an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung gemäß § 17 Abs. 2 KSchG übermittelt. Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit einer Kündigung geltend gemacht. Die unterlassene Übermittlung der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung gemäß § 17 Abs. 2 KSchG an die Agentur für Arbeit verstoße gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL. Diese enthielten dem Kläger folgend nicht nur eine sanktionslose Nebenpflicht, sondern stellten eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung dar. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Entscheidung des EuGH bleibt mit Interesse abzuwarten.

Prof. Dr. Christian Pelke, Redakteur Arbeitsrecht

BB 2022, 371