Im Blickpunkt
Steuerkriminalitätsbekämpfung ist Teilen der Politik bekanntermaßen eine Herzensangelegenheit. Der Idee einer allgemeinen, wissenschaftlichen Steuerlückenschätzung über die bestehenden Schätzungen der Mehrwertsteuerlücke hinaus mit dem Ziel einer effektiveren Fokussierung von Ressourcen der staatlichen Steuerkriminalitätsbekämpfung scheint die Fraktion Die Linke besonders in den Blick genommen zu haben. Die “Steuerlücke” wird als Indiz der Steuerhinterziehung angesehen. Die Bundesregierung hat auf eine Frage der Fraktion Die Linke diesbezüglich in ihrer Antwort (Drs. 21/2452) darauf hingewiesen, dass der Nutzen von Steuerlückenschätzungen zur effektiveren Fokussierung von Ressourcen der staatlichen Steuerkriminalitätsbekämpfung vom gewählten methodischen Ansatz abhänge. Als Methoden werden die Top-Down-Schätzungen, bei denen die potenzielle Steuerbasis aus aggregierten volkswirtschaftlichen Daten abgeleitet wird, und Bottom-Up-Schätzungen, bei denen die Schätzung der potenziellen Steuerbasis mit Hilfe von Mikrodaten, wie z. B. Betriebsprüfungsdaten erfolgt, dargestellt. Aus Sicht der Bundesregierung müssen für eine allgemeine und umfassende Steuerlückenschätzung, aus der Maßnahmen für die staatliche Steuerkriminalitätsbekämpfung abgeleitet werden können, Top-Down- und Bottom-Up-Schätzungen kombiniert werden. Für die Bottom-Up-Schätzung bedarf es Mikrodaten, die eine Segmentierung der Ergebnisse zulassen und so zur Identifizierung von Ursachen der Steuerlücken genutzt werden können. Top-Down-Schätzungen bieten dagegen eine breite wirtschaftliche Abdeckung, können allerdings aufgrund der unterschiedlichen Datenstrukturen von volkswirtschaftlichen (z. B. Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) und administrativen Daten in der Regel nicht disaggregiert werden. Die Datenverfügbarkeit und Datenqualität haben maßgeblichen Einfluss auf die Validität der Ergebnisse. So weit so gut. Mit außergewöhnlicher Offenheit gesteht die Bundesregierung ein, dass mit den aktuell verfügbaren Datenquellen keine Steuerlückenschätzungen vorgenommen werden können, um diese zur Steuerkriminalitätsbekämpfung fruchtbar zu machen. Sie lässt auch keinen Zweifel daran, dass es derartige Daten in naher Zukunft nicht geben wird. Es heißt nämlich weiter, dass eine umfassende Steuerlückenschätzung, die verschiedene bestehende Methoden und Datenbasen kombiniert, extrem kosten- und ressourcenintensiv wäre. Zudem könnten Ergebnisse oft nur mit einem langen Zeitverzug bereitgestellt werden.
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht
BB 2025, 2645
