Im Blickpunkt
Mit der Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, die steuerliche Gleichbehandlung von Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften herzustellen. Zu diesem Zweck wurde die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer bei gewerblichen Einkünften i. S. d. § 15 EStG eingeführt und in § 35 EStG kodifiziert. Der Gesetzgeber entschied sich für eine pauschale Anrechnung. Die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer stellt lediglich eine Begrenzung dar, d. h. die Anrechnung darf nicht höher sein als die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer. Der Anrechnungsfaktor betrug zunächst 1,8 (ab 2001), wurde ab VAZ 2008 auf 3,8 und ab VAZ 2020 auf 4 erhöht. Der Faktor führt dazu, dass ab einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 die Gewerbesteuer eine Definitivbelastung darstellt. 1 278 Gemeinden lagen im Jahr 2023 über dem vierfachen Ermäßigungssatz, was einem Anteil von 11,9 % entspricht. Der gewogene Durchschnittshebesatz lag 2023 bei 407 %, so die Bundesregierung in einer Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU (Drs. 20/14412) vom 23.12.2024. Genauere Zahlen seien nicht vorhanden. Der Realsteuer-Hebesatzumfrage der DIHK ist zu entnehmen, dass der durchschnittliche Hebesatz 2023 435 % betrug und 2024 auf 437 % gestiegen sei! Tendenziell dürfte der Abstand zwischen Anrechnungsfaktor und Hebesatz ab 2025 aufgrund der finanziellen Lage vieler Gemeinden eher zunehmen. Der Betrag der sich nicht bei der Steuerermäßigung nach § 35 EStG auswirkenden Gewerbesteuer (in der Anlage G geltend gemachte Gewerbesteuer, die die Steuerermäßigung nach § 35 EStG übersteigt) wird von der Bundesregierung aufgrund der aktuellen Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2020 mit 1,882 Mrd. Euro beziffert. Bezogen auf das Gesamtaufkommen von ca. 45,3 Mrd. Euro sind immerhin 4,16 % der gezahlten Gewerbesteuer nicht i. S. d. § 35 EStG anrechenbar und damit verloren, bzw. stellen eine Definitivbelastung dar. Wird so eine rechtsformneutrale Besteuerung erreicht? Aktuellere Zahlen als die der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2020 liegen nach Aussage der Bundesregierung im Jahre 2024 nicht vor.
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht