Im Blickpunkt

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Abbildung 2

Der EuGH hat mit Urteil vom 28.1.2025 – C-253/23 (vgl. EuGH, PM Nr. 8/25 vom gleichen Tag, Tenor sogleich folgend hier auf S. 257 abgedruckt) zum Kartellschadensersatz entschieden, dass eine nationale Regelung, die ein Sammelklage-Inkasso ausschließt, gegen das Unionsrecht verstoßen kann. Das sei der Fall, wenn das nationale Recht keinen anderen kollektiven Rechtsbehelf zur Bündelung individueller Forderungen der durch ein Kartell Geschädigten vorsieht und sich die Erhebung einer individuellen Schadensersatzklage als unmöglich oder übermäßig schwierig erweist. 32 Sägewerke machten geltend, einen Kartellschaden erlitten zu haben und traten ihre Ansprüche an die Gesellschaft ASG 2 ab. Diese Gesellschaft hat als “Rechtsdienstleisterin” i. S. d. deutschen Rechts beim LG Dortmund – 8 O 7/20 (Kart) – eine Sammelklage auf Schadensersatz gegen das Land erhoben und handelt – gegen ein Erfolgshonorar – in eigenem Namen und auf eigene Kosten, aber für Rechnung der Sägewerke. Das Land stellte die Aktivlegitimation der ASG 2 in Abrede. Der EuGH stellte fest, dass das Unionsrecht jeder Person, die durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht einen Schaden erlitten hat, das Recht verleiht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens zu verlangen. Eine Schadensersatzklage könne entweder unmittelbar von der Person erhoben werden, der der betreffende Anspruch zusteht, oder von einem Dritten, an den der Anspruch abgetreten wurde. Das Unionsrecht regele allerdings nicht die Modalitäten für die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstandenen Schadens. Folglich sei es Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten, diese Modalitäten zu regeln, wobei u. a. der Effektivitätsgrundsatz zu beachten ist. Im vorliegenden Fall habe das deutsche Gericht darüber zu befinden, ob eine Auslegung des nationalen Rechts, die eine Geltendmachung der durch ein Kartell verursachten Schäden über ein Sammelklage-Inkasso ausschließt, dem Erfordernis der Effektivität genügt. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, (i) dass das deutsche Recht keinen anderen kollektiven Rechtsbehelf bietet, der eine wirksame Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zulässt, und (ii) dass eine individuelle Klage seine Durchsetzung unmöglich macht oder übermäßig erschwert, müsste das deutsche Gericht einen Verstoß gegen Unionsrecht feststellen. Bei einer solchen Fallgestaltung müsste es versuchen, die nationalen Bestimmungen unionrechtskonform auszulegen. Sollte sich das als unmöglich erweisen, hätte das deutsche Gericht die nationalen Bestimmungen, die ein Sammelklage-Inkasso für die fraglichen individuellen Schadensersatzforderungen ausschließen, unangewendet zu lassen.

Uta Wichering, Ressortleiterin Wirtschaftsrecht

BB 2025, 257