Im Blickpunkt

Im Blickpunkt

Abbildung 6

Schätzungen zufolge sollen die Verluste bei Steuereinnahmen in der EU durch Gewinnverlagerung von Konzernen bis zu 100 Mrd. Euro pro Jahr betragen. Mit Maßnahmen gegen schädliche Steuerpraktiken will die EU-Kommission dieser Tatsache entgegenwirken und Schlupflöcher im Steuer-Instrumentarium schließen. Nach Auffassung des Europäischen Rechnungshofs haben die EU-Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Steuerregelungen und vor Steuervermeidung durch Unternehmen Lücken. Erste Maßnahmen habe die EU zwar ergriffen, aber mehr auch nicht, weil die Zuständigkeit für die direkte Besteuerung bei den Mitgliedstaaten liege. Gemeinsame Vorgaben zur Leistungsüberwachung gäbe es nicht. Die Prüfer monieren, dass internationale Konzerne zunehmend komplexe Strategien anwenden, um ihre Steuerlast zu verringern, indem sie Lücken und Unterschiede in den Steuersystemen verschiedener Länder ausnutzen. Durch diese aggressive Steuerplanung umgingen die Unternehmen die Steuerzahlungen. Dies führe ferner zu einem unfairen Wettbewerb zwischen Unternehmen und Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission könne nur tätig werden, wenn vermutet wird, dass der EU-Binnenmarkt verzerrt wird. “Schädliche Steuersysteme und Steuervermeidung durch Konzerne sind problematisch, wenn sichergestellt werden soll, dass Steuern dort gezahlt werden, wo Gewinne erzielt werden”, so Ildikó Gáll-Pelcz, zuständig für den Bericht des Europäischen Rechnungshofs. “Die Kommission sollte ihre begrenzten Befugnisse in diesem Bereich ausreizen: Sie sollte die vorhandenen Lücken schließen, ihre Leitlinien für die EU-Länder weiterentwickeln, um schädlichen Steuerpraktiken klar Einhalt zu gebieten, und für die rasche Entwicklung eines gemeinsamen Leistungsüberwachungssystems sorgen.” In den letzten Jahren seien drei neue EU-Richtlinien erlassen worden, die unter anderem darauf abzielen, EU-weit gemeinsame Vorschriften zur Eindämmung schädlicher Steuerpraktiken festzulegen. Allerdings sei völlig offen, wie die Vorschriften in der Praxis angewendet werden sollen. Die EU-Kommission achte zwar darauf, dass die Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden, aber es gäbe keinerlei Bewertung, ob die Ziele durch die Richtlinien tatsächlich erreicht werden. Durch eine derartige Evaluation ließe sich überbordende Bürokratie verhindern. Ein guter Gedanke!

Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht

BB 2025, 21