Tarifpartner des privaten Bankgewerbes gestalten Zukunft
Die Tarifparteien des privaten Bankgewerbes nutzen die gesetzlichen Möglichkeiten zur Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung konstruktiv und kreativ
Die Tarifpartner beklagen eine immer weiter abnehmende Tarifbindung und fürchten gar eine Gefährdung der Tarifautonomie. Im Koalitionsvertrag der Ampel aus dem Jahre 2021 heißt es: “Wir wollen die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung stärken. . ..” Geschehen ist seitdem auf gesetzgeberischer Ebene nichts. Und so haben die Tarifpartner, jedenfalls in einigen Branchen, das Heft wieder selbst in die Hand genommen. Und das ist auch richtig so!
Die Tarifparteien des privaten Bankgewerbes, nämlich der AGV Banken, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Deutscher Bankangestellten Verband (DBV) haben am 23.11.2023 zwei neue Tarifverträge unterzeichnet, die sich beide mit grundlegenden Zukunftsfragen der Branche beschäftigen, der Nachwuchsgewinnung und der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung. Die beiden Tarifwerke Nachwuchskräfte-Tarifvertrag und Tarifvertrag Altersversorgung (Sozialpartnermodell Betriebsrente) umspannen gleichzeitig den HR-Lifecycle, von der Talent-Akquisition bis zur finanziellen Absicherung beim altersbedingten Ausscheiden.
Der neue Nachwuchskräfte-Tarifvertrag bündelt alle bislang im Manteltarifvertrag und im Gehaltstarifvertrag enthaltenen Regelungen für Nachwuchskräfte, übernimmt weitere wesentliche MTV-Regelungen und ergänzt sie um neue Elemente wie die Einbeziehung der dual Studierenden und einen Lernmittelzuschuss. Alle Nachwuchskräfte erhalten eine einheitliche Vergütung in Höhe von 1150/1220/1300 Euro im 1./2./3. Ausbildungsjahr. Dual Studierende erhalten im letzten Studienjahr eine monatliche Vergütung von 1390 Euro. Nach der Selbsteinschätzung des Arbeitgeberverbandes liegen die Banken damit in der Spitzengruppe der deutschen Wirtschaft. Moderner Geist weht auch aus den Regelungen zur Sustainability. Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sollen prominent in die Ausbildungsordnungen und in die betriebliche Ausbildungspraxis integriert werden.
Strahlkraft auf den Bewerbermarkt wird die erweiterte Übernahmeregelung haben. Danach werden Nachwuchskräfte nach bestandener Abschlussprüfung bei betrieblichem Bedarf mindestens befristet für zwölf Monate übernommen, sofern nicht personen-, verhaltens-, betriebsbedingte oder gesetzliche Gründe entgegenstehen. Im Anschluss daran werden sie bei entsprechender Bewährung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen, sofern im Betrieb ein entsprechender Arbeitsplatz zur Besetzung in diesem Zeitpunkt ausgeschrieben ist, der eine ausbildungsadäquate Beschäftigung auf Dauer ermöglicht.
Hier setzt allerdings auch die Kritik an. Nach Auffassung des DBV hätte eine uneingeschränkte Übernahmegarantie für Nachwuchskräfte bei sehr guten Leistungen dem neuen Tarifwerk gut zu Gesicht gestanden. Und da ist etwas dran: Keine Bank würde einen freien Arbeitsplatz, den ein im Betrieb Ausgebildeter gut besetzen kann, an einen Externen vergeben. Insofern ist die tarifvertragliche Zusage von begrenztem Mehrwert.
Für die Tarifpraxis noch bedeutender ist der Tarifvertrag über die Möglichkeit zur Erteilung einer reinen Beitragszusage nach § 1, Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG. Genau vier Wochen nachdem die IG Metall dem Sozialpartnermodell eine eindeutige und endgültige Absage erteilt hat, haben die Tarifparteien des privaten Bankgewerbes für diesen Weg optiert. Die Entscheidung darüber, ob das neue Modell eingeführt wird, liegt bei den Unternehmen (Optionsmodell), wobei die Einzelheiten wie der anspruchsberechtigte Personenkreis und der Beitragsanteil der Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarung zu regeln sind. Der Mindestbeitrag für Arbeitnehmer von 1 % des Bruttomonatseinkommens wie auch der Beitragssatz für Arbeitgeber sind im Tarifvertrag geregelt. Letzterer steigt stufenweise und liegt langfristig oberhalb des heutigen Mindestbeitrags-Niveaus im BVV Versicherungsverein. Die reine Beitragszusage verpflichtet den Arbeitgeber zur Abführung der Beiträge und zur Weitergabe eingesparter Sozialversicherungsbeiträge. Weitergehende finanzielle Verpflichtungen bestehen nicht, insbesondere keine Einstandspflicht und keine Anpassungsprüfungspflicht.
Das Tarifwerk ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Es ermöglicht ausdrücklich auch Unternehmen ohne Tarifbindung die Durchführung einer reinen Beitragszusage. Um den Einstieg zu erleichtern, gelten für diese Unternehmen reduzierte Beitragssätze. Als weitere soziale Komponente zahlt der Arbeitgeber für Mitarbeitende mit geringem Einkommen sofort den Höchstbeitrag. Und durch Betriebsvereinbarung kann für diesen Personenkreis die Beitragspflicht aufgehoben werden.
Die Tarifparteien des privaten Bankgewerbes nutzen damit die gesetzlichen Möglichkeiten zur Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung, konstruktiv und kreativ, und nicht ablehnend wie die IG Metall. Die private Bankenwirtschaft ist also auf einem guten Weg. In der Konkurrenz mit den öffentlichen Banken, die seit 2020 eigene tarifliche Wege gehen, wird darauf hingewiesen, dass dort auch tarifliche Rahmenregelungen zum Homeoffice bestehen. Dieses Thema wird in den Banken post-Covid sehr kontrovers diskutiert. Allerdings dürfen auch die Mitarbeitenden in privaten Banken hoffen. Der Vorsitzende des AGV Banken hat schon im Mai dieses Jahres die Gestaltung von Mobilarbeit als Kernaufgabe der Sozialpartner bezeichnet. Es bleibt abzuwarten, ob auch das heiß diskutierte Thema “Working from abroad” Eingang in die tariflichen Regelungen finden wird.
Dr. Hans-Peter
Löw
, RA, leitet als Senior Counsel den Fachbereich Financial Services Employment Law innerhalb der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper UK LLP. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der arbeitsrechtlichen Beratung von Finanzinstituten, auch an den Schnittstellen zu Aufsichtsrecht und Datenschutz.
Löw, BB 2024, Heft 01-02, Umschlagteil, I