Auswirkungen der Digitalisierung auf die alternative Konfliktlösung im Steuerrecht
Eine ausgewogene Integration der Digitalisierung in die alternative Konfliktlösung im Steuerrecht ist von großer Bedeutung, um die Vorteile dieser Entwicklung optimal nutzen zu können, ohne dass die menschliche Expertise verloren geht.
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahrzehnten alle Bereiche unseres Lebens erfasst und verändert. Aufgrund des nunmehr möglichen Einsatzes von künstlicher Intelligenz und Big Data-Analysen ist das Thema gerade in der Steuerberatungsbranche hochaktuell. Besonders interessant ist die Frage nach den Auswirkungen der Digitalisierung auf einen speziellen Bereich des Steuerrechts – die alternative Konfliktlösung. Im Folgenden werden die entsprechenden Vorteile und Herausforderungen näher untersucht.
Im Steuerrecht gab es unzählige Digitalisierungen, die die Bearbeitung und Abwicklung von steuerlichen Prozessen vereinfacht haben. Beispielhaft sind die elektronische Aktenführung, der elektronische Rechtsverkehr, die elektronische Steuererklärung, der Einsatz künstlicher Intelligenz und Big Data zur Analyse großer Datenmengen zu nennen.
Die Vorschriften der § 91a Abs. 1 bis 4 FGO und § 102a Abs. 1 bis 4 VwGO schaffen sogar die Möglichkeit, finanz- und verwaltungsgerichtliche Verhandlungen, z. B. im Rahmen von Erörterungsterminen zur gütlichen Einigung, im Wege der Videokonferenz durchzuführen. Generell können Videokonferenzen in der alternativen Konfliktlösung im Steuerrecht zu einer erheblichen Effizienzsteigerung führen, da sie u. a. die folgenden Vorteile bieten:
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Flexibilität und Zeitersparnis: Durch die Nutzung von Videokonferenzen können die Beteiligten am Einigungsversuch von verschiedenen Orten aus teilnehmen, ohne dass sie physisch anwesend sein müssen.
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Kostenersparnis und Nachhaltigkeit: Durch die Nutzung von Videokonferenzen entfallen Reisekosten und -ausgaben. Gleichzeitig profitiert die Umwelt hiervon.
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Vertraulichkeit: Aufgrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine Aufzeichnung der Videokonferenz ohne vorherige Einwilligung nicht möglich. Im Rahmen von gerichtlichen Verhandlungen wie z. B. gütlichen Einigungsversuchen normieren die § 91a Abs. 3 S. 1 FGO und § 102a Abs. 3 S. 1 VwGO sogar ein Aufzeichnungsverbot bezüglich der Übertragung.
Allerdings gibt es auch einige beachtliche Nachteile bei der Durchführung eines steuerlichen Einigungsversuchs im Wege der Videokonferenz, wie z. B.:
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Technische Probleme: Bei der Nutzung von Videokonferenzen könnten technische Probleme wie Verbindungsabbrüche oder schlechte Audio- und Videoqualität auftreten.
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Eingeschränkte nonverbale Kommunikation: Da Videokonferenzen die nonverbale Kommunikation aufgrund der begrenzten Bildschirmgröße und der möglichen Verzögerungen in der Übertragung einschränken, könnte es schwieriger, wenn auch nicht unmöglich sein, die Emotionen und Gesten der Beteiligten zu erkennen. Dies könnte den Einigungsversuch erschweren.
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Fehlender persönlicher Austausch: Es gibt Situationen, in denen eine persönliche Aussprache vor Ort bevorzugt wird, beispielsweise wenn der Austausch zwischen den Beteiligten als wichtig erachtet wird, um das Vertrauen aufzubauen und um eine effektive Kommunikation zu ermöglichen.
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Vertrauensprobleme: Einige Beteiligte könnten Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Vertraulichkeit von Videokonferenzen aufgrund möglicher Datenlecks oder unbefugter Zugriffe haben.
Letztendlich hängt die Entscheidung, ob ein steuerlicher Einigungsversuch per Videokonferenz durchgeführt wird, von den individuellen Umständen ab. Zu den relevanten Faktoren gehören beispielsweise die Art des Konflikts, die Bedürfnisse und Vorlieben der Beteiligten sowie die technischen Möglichkeiten.
Generell kann die alternative Konfliktlösung durch den Einsatz moderner Technologien, insbesondere aufgrund der weniger fehleranfälligen Datenverarbeitung und -analyse zur Identifizierung steuerlicher Risiken und Chancen effizienter durchgeführt werden, da alle relevanten Informationen für die Beteiligten transparent und digital verfügbar sind. Dadurch wird Vertrauen geschaffen und die Kommunikation zwischen den Beteiligten erleichtert. Auf diese Weise wird der Weg zu einer gemeinsamen Lösung geebnet und Missverständnisse vermieden.
Allerdings ergeben sich auch neue Herausforderungen durch die Digitalisierung, insbesondere im Bereich des Datenschutzes. Steuerdaten enthalten sensible Informationen, die vor unbefugtem Zugriff geschützt werden müssen. Eine Auseinandersetzung mit den technischen und datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Ergreifung entsprechender Maßnahmen sind unerlässlich.
Weiterhin darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die gegenwärtige Fehleranfälligkeit bei der Implementierung von Technik und künstlicher Intelligenz im Steuerrecht eine Herausforderung darstellt, welche es mit menschlicher Expertise, umsichtiger Vorsicht und kontinuierlicher Verbesserung zu bewältigen gilt.
Insgesamt hat die Digitalisierung jedoch das Potenzial, die alternative Konfliktlösung im Steuerrecht zu verbessern und effizienter zu gestalten. Durch den Einsatz moderner Technologien können Steuerstreitigkeiten auch auf alternativem Weg schneller und effektiver gelöst werden. Dennoch müssen auch die Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Datenschutzes, beachtet werden. Eine ausgewogene Integration der Digitalisierung in die alternative Konfliktlösung ist daher von großer Bedeutung, um die Vorteile dieser Entwicklung optimal nutzen zu können, ohne dass die menschliche Expertise verloren geht. Um mit den neuen digitalen Möglichkeiten umgehen zu können, ist außerdem eine kontinuierliche Weiterbildung unerlässlich.
Katharina
Weißenbacher
ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei der Kanzlei honert in München und Doktorandin bei Herrn Prof. Dr. Martin Kment, LL.M., am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Umweltrecht und Planungsrecht an der Universität Augsburg.
Weißenbacher, BB 2023, Heft 50, Umschlagteil, I