Gesetz zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen

Gesetz zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen

Abbildung 1

Auch mit dem neuen Gesetz bleibt das Dilemma: Risikobasierter Ansatz im Bereich des Verdachtsmeldewesens versus exzessive Melde-Mentalität.

Nachdem der Regierungsentwurf des “Gesetzes zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) ” am 20.10.2023 (BR-Drs. 494/23) den Bundesrat passierte, wurde das Gesetz vom Bundestag beschlossen und am 17.11.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2023 I, Nr. 311). Das Gesetz ist damit am Tag nach der Verkündung, am 18.11.2023, in Kraft getreten. Mit dem Gesetz soll der allgemeine Grundsatz der risikobasierten Arbeitsweise klargestellt, der Kernauftrag der FIU im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gesetzlich klarer ausgestaltet, die Unterstützung der Prozesse durch automatisierte Verfahren innerhalb der FIU gesetzlich konkretisiert und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden vereinfacht werden.

Die FIU wurde in den letzten Jahren nicht nur durch positive Schlagzeilen bekannt, vgl. das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück (vgl. StA Osnabrück, PM v. 31.5.2023). Als Empfangsstelle analysiert sie die eingehenden Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und leitet sie bei erhärtetem Verdacht an die Staatsanwaltschaft weiter. Erst kürzlich wurden Bearbeitungsrückstände (vgl. u. a. BT-Drs. 20/5191) der FIU von Verdachtsmeldungen bekannt. Ein Grund für die Bearbeitungsrückstände: Allein in den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Verdachtsmeldungen mehr als verzwanzigfacht (FIU, Jahresbericht 2021, S. 15). 2020 gingen noch 144.005 Verdachtsmeldungen ein, 2021 bereits 298.507 (FIU, Jahresbericht 2021, S. 15). Abhilfe soll nun das Gesetz zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen schaffen.

Die größte Entlastung soll hier durch die Verankerung des risikobasierten Ansatzes im Verdachtsmeldeverfahren in Bezug auf die Arbeitsweise der FIU erfolgen, vgl. § 3a GwG. Mit der risikobasierten Ausrichtung (risikobasierter Ansatz) der FIU geht einher, dass nicht jede dort eingehende Verdachtsmeldung einer umfassenden inhaltlichen operativen Analyse unterzogen wird. Der Kernauftrag der FIU wird innerhalb der Analysepflicht gesetzlich ausgestaltet. Hieraus folgt: Die Verdachtsmeldungen werden risikobasiert danach ausgewertet, welche Meldungen einer weiteren Bearbeitung im Sinne des gesetzlichen Kernauftrags bedürfen. Nur solche Verdachtsmeldungen werden fortan in die vertiefte Bearbeitung überführt, bei denen die FIU auf Basis des risikobasierten Ansatzes weiteren Analysebedarf identifiziert hat. Durch das Gesetz soll die bereits länger betriebene Praxis nunmehr gesetzlich abgesichert und weiterentwickelt werden.

Der risikobasierte Ansatz im Bereich des Verdachtsmeldeverfahrens ist umstritten. Grundsätzlich gibt es Argumente, die für eine risikobasierte Arbeitsweise sprechen. Die FIU kann sich so auf die schweren Fälle konzentrieren und garantieren, dass diese zeitnah zur Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Auch bei anderen Behörden – wie dem Zoll – ist dieses Vorgehen schon lange etabliert (vgl. Liebel (BDZ), Anhörung Finanzausschuss v. 25.9.2023, hib Nr. 686/2023, BT-Drs. 20/8294). Nach anderer Ansicht besteht das Risiko, dass durch diese Arbeitsweise die FIU quasi entscheidet, welche Straftaten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden (vgl. Buckenhöfer (GdP), Anhörung Finanzausschuss v. 25.9.2023, hib Nr. 686/2023, BT-Drs. 20/8294). Deutlicher formuliert es die Staatsanwaltschaft Osnabrück, die das risikobasierte Vorgehen bei der operativen Analyse der Geldwäscheverdachtsmeldungen nicht mit den Vorgaben des GwG, insbesondere nicht mit § 30 Abs. 2 GwG, vereinbar sieht (vgl. StA Osnabrück, PM v. 31.5.2023).

Noch größer wird der Unmut, wenn man die Gründe für das steigende Meldeaufkommen unter die Lupe nimmt. Bei den Verpflichteten hält seit Jahren eine exzessive Melde-Mentalität Einzug. GwG-Verpflichtete sind zur unverzüglichen Verdachtsmeldung an die FIU verpflichtet. Kommt der Verpflichtete zum Ergebnis, dass es sich um einen meldepflichtigen Sachverhalt handelt, muss eine Meldung unverzüglich, mithin ohne schuldhaftes Zögern, am gleichen oder nächsten Werktag erfolgen (OLG Frankfurt a. M., 10.4.2018 – 2 Ss-Owi 1059/17, NStZ-RR 2019, 17). Verstöße hiergegen sind nach § 56 Abs. 1 Nr. 69 GwG bußgeldbewehrt. Zudem droht im Einzelfall eine Strafbarkeit wegen Beteiligung am Straftatbestand der Geldwäsche nach § 261 StGB oder der Terrorismusfinanzierung nach § 89c StGB. Um das Risiko eines Bußgeldes oder einer Strafbarkeit zu mitigieren, wird daher lieber eine Verdachtsmeldung zu viel als zu wenig abgegeben.

Der kritisch zu sehende risikobasierte Ansatz in Bezug auf die Bearbeitung der Verdachtsmeldungen und die kritische Betrachtung des konträr wirkenden Zusammenspiels zwischen der Unverzüglichkeit der Abgabe der Verdachtsmeldung und dem Bearbeitungsrückstand der FIU, würden entzerrt, wenn eine fortlaufende und weitergehende Sensibilisierung der GwG-Verpflichteten hinsichtlich der Qualität der Verdachtsmeldung stattfinden würde. Meldungen müssen sensibler und qualitativ besser werden, um gleichzeitig zu einer schnelleren Bearbeitung durch die FIU beizutragen (“win-win-Situation”).

Wiewohl der risikobasierte Ansatz im Bereich des Verdachtsmeldewesens vermutlich zu einer Entspannung in Bezug auf den Bearbeitungsrückstand führen wird, bleibt abzuwarten, ob die nun gesetzlich verankerte Arbeitsweise der FIU in Bezug auf eingehende Verdachtsmeldungen, nicht die umfassende operative Analysetätigkeit der Behörde einschränken wird und mithin weniger Sachverhalte an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.


Sebastian
Glaab
, RA, ist Partner der Kanzlei Annerton und berät insbesondere im Bereich Geldwäscheprävention und Compliance.

Glaab, BB 2023, Heft 49, Umschlagteil, I