BGB-Reform zum Stiftungsrecht abgeschlossen – jetzt folgen die Landesstiftungsgesetze
Die anstehende Reform aller Landesstiftungsgesetze ist eine Chance für mehr Vereinheitlichung, damit das Stiftungsrecht für Stiftungsverantwortliche insgesamt klarer und verständlicher wird.
Am 1.7.2023 tritt das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in Kraft. Für die etwa 25.000 rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts gelten dann die neuen §§ 80 ff. BGB. Neben einer Legaldefinition der Stiftung und anderen, zumeist eher klarstellenden Vorschriften enthält das neue materielle Stiftungsrecht erstmalig bundeseinheitliche Regelungen zur Zulässigkeit von Satzungsänderungen, vereinfachte Möglichkeiten zur Umwandlung bestehender Ewigkeitsstiftungen in Verbrauchsstiftungen sowie zur Fusion bestehender Stiftungen. Viele Stiftungsvorstände interessieren sich auch für die neuen Regeln zur Haftung geschäftsführender Stiftungsorgane sowie zum Umgang mit Gewinnen aus Vermögensumschichtungen. Außerdem wird mit Wirkung zum 1.1.2026 analog zum Vereinsregister nun endlich auch ein Stiftungsregister geschaffen.
Durch die Vereinheitlichung aller materiellrechtlicher Regelungen auf Ebene des BGB stellt sich nun die Aufgabe für alle sechzehn Bundesländer, die dort bestehenden Landesstiftungsgesetze bis zum 1.7.2023 ebenfalls zu reformieren. Bis zum Inkrafttreten des reformierten Stiftungszivilrechts stehen daher nun alle sechzehn Landesstiftungsgesetze auf dem Prüfstand, inwieweit sie sich mit den neuen §§ 80 ff. BGB vertragen, da sie widrigenfalls nach Art. 31 GG außer Kraft treten, soweit sie dem neuen Bundesrecht widersprechen.
Denn die in den §§ 80 ff. BGB enthaltenen, bundesweit einheitlich geltenden Regeln des Stiftungsrechts haben abschließenden Charakter, soweit der Bundesgesetzgeber mit dem reformierten Stiftungszivilrecht von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) Gebrauch gemacht hat. Hierbei weist § 83 Abs. 2 BGB-neu den Stiftungsaufsichtsbehörden bestimmte Aufgaben und Kompetenzen bei der Aufsicht über die rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts zu, um künftig eine bundeseinheitliche Verwaltungspraxis zu gewährleisten.
Daraus folgt für die Landesstiftungsgesetze, dass sie zukünftig reine Zuständigkeits- und Aufsichtsregelungen enthalten werden. Es ist absehbar, dass dies seitens der Bundesländer und insbesondere der Stiftungsaufsichtsbehörden nicht klaglos hingenommen werden wird. Während es dem Bundesgesetzgeber bei der Reform um eine möglichst weitgehende Vereinheitlichung des Rechtsrahmens für stifterisches Engagement ging, wird das eine oder andere Bundesland sicher versuchen, einige der gewohnten Regelungen in das neue Recht hinüberzuretten. Die anstehende Reform aller Landesstiftungsgesetze ist eine Chance für mehr Vereinheitlichung, damit das Stiftungsrecht für Stiftungsverantwortliche insgesamt klarer und verständlicher wird. Gleichzeitig birgt die Reform der Landesstiftungsgesetze aber auch das Risiko in sich, dass sich die Landesgesetzgeber zuvörderst als Interessensvertreter der Stiftungsbehörden verstehen, und tendenziell eher restriktive Regelungen aufstellen.
Allzu verlockend könnte beispielsweise die Aussicht sein, anlässlich der Reform der Landesstiftungsgesetze eine flächendeckende Verpflichtung von Stiftungen einzuführen, ihre Jahresabschlüsse auf Verlangen der Stiftungsaufsicht durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Verlockend ist dies, weil es die Stiftungsaufsichtsbehörden damit von der eigentlich sie selbst treffenden Prüfungspflicht entbinden würde. Um es klar zu sagen: Es wäre den Stiftungsaufsichtsbehörden keinesfalls zu verübeln, wenn sie ihren workload auf diese Weise reduzieren, denn die personelle Ausstattung der Aufsichtsbehörden erlaubt vielfach allenfalls eine kursorische Prüfung der ihnen anvertrauten Stiftungen. Beispielsweise ist in Bayern, wo die Stiftungsaufsichtsbehörden Stiftungen zur Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers verpflichten dürfen, festzustellen, dass die Stiftungsbehörden von dieser Befugnis durchaus ohne übermäßiges Zögern – auch bei eher kleinen Stiftungen – Gebrauch machen, was für Stiftungen eine spürbare wirtschaftliche Belastung darstellt.
Eine weitere für Stiftungen und Stiftungsaufsichtsbehörden wichtige Grundsatzfrage ist, ob die Bundesländer befugt sein sollen, den Schutzauftrag der Stiftungsaufsichtsbehörden von der Art des Stiftungszwecks abhängig zu machen: Während die meisten Landesstiftungsgesetze bereits jetzt eine stark eingeschränkte Aufsicht über Stiftungen mit nicht öffentlichen bzw. steuerbegünstigten Zwecken vorsehen – Bayern versagt den Stiftungen, die nicht überwiegend einen öffentlichen Zweck verfolgen sogar jeden stiftungsaufsichtsrechtlichen Schutz – dürfte das vereinheitlichte Stiftungszivilrecht wohl keine solche Ungleichbehandlung der Stiftungen mehr zulassen. Denn die verfassungsrechtlich gebotene Schutzpflicht der Stiftungsaufsichtsbehörden gilt grundsätzlich für alle Stiftungen – solche mit öffentlichen ebenso wie solche mit privaten oder gemischten Stiftungszwecken. In diesem Zusammenhang irritiert, dass bereits das erste veröffentlichte neue Landesstiftungsgesetz – dasjenige für das Land Brandenburg – nicht nur den privatnützigen, sondern überraschenderweise auch den Verbrauchsstiftungen (!) den vollen Schutz des Stifterwillens durch die Stiftungsaufsicht verweigert. Auch das nunmehr im Entwurf vorliegende neue Landesstiftungsgesetz NRW sieht nur eine eingeschränkte Stiftungsaufsicht über Stiftungen vor, die “ausschließlich oder überwiegend private Zwecke verfolgen”.
Prof. Dr. Stefan
Stolte
ist Mitglied der Geschäftsleitung der Deutsches Stiftungszentrum GmbH sowie Gesellschafter und Rechtsanwalt der Deutsche Stiftungsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Stolte, BB 2022, Heft 42, Umschlagteil, I