Im Blickpunkt
Die Verletzung von Überwachungs- und Kontrollpflichten des ressortfremden Mitgeschäftsführers betreffend eine sachlich nicht gerechtfertigte Höhergruppierung von Betriebsratsmitgliedern, kann die fristlose Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags rechtfertigen. Das entschied das OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 20.11.2025 – 5 U 15/24, PM Nr. 68/2025 vom 27.11.2025). Der Kläger war bei der Beklagten seit 2014 als Geschäftsführer beschäftigt und zuletzt u. a. für den Bereich Personal zuständig. Die Beklagte erreichten im Jahr 2021 verschiedene (anonyme) Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung der Beklagten. Daraufhin betrieb die Beklagte eine umfassende Sachverhaltsaufklärung auch unter Einschaltung einer externen Rechtsanwaltskanzlei. Unter Bezugnahme auf einen Zwischenbericht dieser Kanzlei kündigte die Beklagte den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers fristlos. Der 5. Zivilsenat des OLG bestätigte, dass das Dienstverhältnis des Klägers wirksam durch die außerordentliche Kündigung beendet worden sei. Der der Kündigungserklärung zugrunde liegende Aufsichtsratsbeschluss sei formell wirksam. Die Kündigung sei auch materiell wirksam. Insbesondere liege ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Die von der Beklagten vorgelegten rechtskräftigen Arbeitsgerichtsurteile betreffend dreier Betriebsratsmitglieder und eines Schwerbehindertenvertreters enthielten substantiierten Vortrag zur Unzulässigkeit einzelner Höhergruppierungen und Zulagengewährungen. Der Kläger habe diese nicht hinreichend entkräftet, was ihm aufgrund seiner vormaligen Sachnähe als früherer Geschäftsführer möglich und zumutbar gewesen wäre. Zwar sei der Kläger für das Personalwesen nicht zuständig gewesen. Gleichwohl sei er anlassbezogen zur Kontrolle und Überwachung des ressortzuständigen Mitgeschäftsführers verpflichtet gewesen. Er habe die Höhergruppierungen und Zulagengewährungen unterzeichnet und sei in den streitgegenständlichen Fällen in die den einzelnen Vergütungsentscheidungen vorausgegangene Kommunikation eingebunden gewesen. Damit habe begründeter Anlass bestanden, die Gehaltsentwicklungen der Betriebsratsmitglieder zu hinterfragen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass Entscheidungen der Geschäftsführung dem Legalitätsprinzip entsprechen. Die Berufung der Beklagten gegen die zugesprochenen Tantiemen hatte ebenfalls keinen Erfolg. Insbesondere handele der Kläger nicht treuwidrig, wenn er trotz seiner Pflichtverletzungen diesen Anspruch geltend mache. Die Verletzung eigener Pflichten durch den Kläger könne grundsätzlich nur Gegenansprüche der Beklagten auslösen, hindere den Kläger grundsätzlich aber nicht, eigene Ansprüche geltend zu machen.
Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht
BB 2025, 2931
