Aufsichtsräte und Beiräte für den Mittelstand: Mehrwert für die Wirtschaft?
Die Objektivität und Professionalität von Beratern ist hier genauso wichtig wie bei der Besetzung von Führungspositionen!
Unternehmensführung wird nicht leichter.
Freundliche Sparringspartner mit Meta-Blick werden immer wichtiger.
Zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen haben Aufsichts- oder Beiräte. Davon sind zwei Drittel über 50 Jahre alt. Der Bedarf ist also groß. Auch wegen Corporate Governance, das mehr Beiräte einfordert.
Anders als bei gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollgremien (bei kapitalmarktorientierten und sehr großen Unternehmen) gibt es hier keine Regelung.
Also entscheiden die Eigentümer: Entweder für einen beratenden Beirat ohne Mitentscheidungsbefugnisse oder für einen organschaftlichen Beirat, der nach dem Gesellschaftsvertrag über die Beratung hinaus u. a. folgende Aufgaben haben kann: Er überwacht die Geschäftsleitung und beschließt über Geschäfte der Gesellschaft.
Oft wird der Beirat nicht so genannt, sondern z. B. Gesellschafterausschuss, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Stiftungsrat. Rechtlich macht das keinen Unterschied.
Wie bei der Besetzung von Führungspositionen ist es ein realistischer Schätzwert, dass Mandate zu über 80 % über persönliche Netzwerke vergeben werden.
Meistens klappt das, manches geht schief, wie immer, wenn Menschen arbeiten. Große Skandale aus großen Unternehmen sind sehr sichtbar, kleine Unternehmen kommen mit Fehlleistungen nicht so schnell über die Aufmerksamkeitsschwelle.
Erfolgreich sind fachlich/kulturell passende Räte, die unabhängig sind. Daraus folgt: je professioneller die Suche, desto langfristig erfolgreicher die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Aufsichtsrat.
Dabei ist die Objektivität und Professionalität von Beratern für die Personalsuche hier fast noch wichtiger als bei der Besetzung von Führungspositionen, weil viel mehr über Gespräche und Beziehung läuft und oft emotional relevante Konstellationen gegeben sind.
Erforderlich ist die gleiche Sorgfalt wie bei der Besetzung von Führungspositionen. Entscheidend ist die je individuelle Situation des Unternehmens und die perfekt darauf abgestimmte individuelle Suche.
Ein stabiles Vertrauensverhältnis zum Unternehmen hilft der Beraterin, nicht nur die fachlichen Voraussetzungen zu verstehen, sondern auch die persönlichen Anforderungen, denen ein Beirat genügen muss. Dann kann auch ein vorhandenes Bauchgefühl analysiert und ggf. in den Prozess integriert werden.
Das klassisch professionelle Vorgehen beginnt mit der Frage: Welches Ziel wird mit der Beiratsbesetzung verfolgt?
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Neuer Beirat, Erweiterung oder Ersatz für einen Beirat? Warum?
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Sparringspartner für den/die Gesellschafter?
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Sparringspartner für die Geschäftsführung?
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Interface zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung?
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Gesellschaftervertretung: Kontrolle als verlängerter Arm der Eigentümer?
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Nachfolgesuchen für Vorstands- und GF-Positionen? Führungskräfteentwicklung?
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Klassisch fachliche Beratung: Strategie, Finanzen, Vertrieb?
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Aktuelle fachliche Beratung: Digitalisierung, Lieferketten, ESG, Fachkräftemangel, . . .?
Die individuellen Aufgaben und Ziele formen das Positionsprofil der Beiratsposition. Daraus wird ein Anforderungsprofil entwickelt, das die gesuchte Person deutlich macht.
Die Definition der jeweils erforderlichen Fachkompetenz ist dabei die einfachste Aufgabe. Jedoch die persönlichen Anforderungen sind anspruchsvoll:
Eine erfolgreiche Rats-Tätigkeit erfordert neben hoher empathischer Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit auch Konfliktfähigkeit. Entscheidend dabei ist die persönliche und finanzielle Unabhängigkeit des Beraters. Auch Zielorientierung/langer Atem, Unterstützungsbereitschaft, Alter, sozialer Background, kultureller Background, interkulturelle Erfahrung, Geschlecht etc. sind vor allem im Kontext des gesamten Beirats, der Geschäftsführung und der Gesellschafter, genau zu definieren.
Besonders die Fähigkeit, aus der Meta-Ebene auf das Ganze zu sehen, ist entscheidend: der Berater ist in vielen Fällen der Coach für den Vorstand, der für die Operations zuständig ist und für die Gesellschafter, die die Strategie definieren.
Viele Vorstände/Geschäftsführer werden nach ihrem Ausscheiden Aufsichtsräte/Beiräte: sie haben das perfekte Know-how. Demgegenüber ist jedoch gerade die Erfahrung aus anderen Branchen von Vorteil. Auch aus kulturellen Gründen ist eine cool off-Phase oft sinnvoll.
Falls bisher nicht erfolgt, ist aus Anlass einer Besetzung sehr zu empfehlen, einmal die Positionsprofile und die daraus erwachsenden Anforderungsprofile aller Beiratsmitglieder zu definieren, um den Rat besonders breit aufzustellen. Der Deutsche Corporate Government Kodex empfiehlt ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium unter dem Aspekt: “Nobody is perfect, but a team can be”!
Aus Positionsprofil und Anforderungsprofil wird eine search strategy entwickelt, der folgend dann sorgfältig und flächendeckend gesucht wird. Datenbanken sind auch hilfreich, aber begrenzt: alle relevanten Kandidaten und Kandidatinnen im Markt sollen identifiziert und angesprochen werden.
Eine erfolgreiche Beiratsbesetzung erfordert folgende Schritte:
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Klärung der Ziele und Erwartungen an den Beirat
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Schaffung der Rechtsgrundlage – beratender vs. kontrollierender Beirat
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Schaffung einer klaren Gremium-Struktur – Funktionen, Aufgaben, Befugnisse
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Definition des Positions- und Anforderungsprofils für das Gesamtgremium
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Definition der Positions- und Anforderungsprofile für jedes Beiratsmitglied
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Professionelle Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten
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Einführungsplan für die neuen Beiräte.
Maria
Fischer
, Politikwissenschaftlerin und Soziologin, ist Geschäftsführende Gesellschafterin von Fischer HRM GmbH – Internationale Berater für Human Resources Management. Sie besetzt seit über 20 Jahren mit ihrem multinationalen Team anspruchsvolle Positionen im In- und Ausland.
Fischer, BB 2023, Heft 11, Umschlagteil, I