Im Blickpunkt

Im Blickpunkt

Abbildung 17

Durch die Umwandlung einer deutschen Aktiengesellschaft in eine Europäische Gesellschaft darf der besondere Wahlgang für die Wahl der Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat nicht beeinträchtigt werden. Dieser Wahlgang ist ein prägendes Element der Regelung über die Arbeitnehmerbeteiligung in Deutschland und kann nicht Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen der Umwandlung sein, so die Schlussanträge des Generalanwalts vom 28.4.2022 in der Rechtssache EuGH, C-677/20. Zugrunde lag ein Sachverhalt, bei dem im Jahr 2014 die deutsche Aktiengesellschaft SAP in eine Europäische Gesellschaft (SE) umgewandelt wurde. Vor und nach der Umwandlung setzt sich der Aufsichtsrat der Beklagten zu gleichen Teilen aus Vertretern der Aktionäre und Vertretern der Arbeitnehmer zusammen. Vor der Umwandlung wurden die Arbeitnehmervertreter jedoch gemäß den deutschen Rechtsvorschriften in zwei getrennten Wahlgängen gewählt, von denen einer der Wahl der Kandidaten der Gewerkschaften vorbehalten war. Dieser sollte aufgrund einer Vereinbarung von Beteiligten künftig wegfallen, wogegen sich Gewerkschaften wandten. Das im Revisionsverfahren mit der Sache befasste BAG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Entsprechend der Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer muss in der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer (Beteiligungsvereinbarung) in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet werden, das vor der Umwandlung in eine SE bestand. Daher stellt sich nach dem BAG die Frage, ob der gesonderte Wahlgang für die Wahl der Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsrat einer aus der Umwandlung einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts hervorgegangenen SE beibehalten werden muss oder ob durch die Aushandlung der Beteiligungsvereinbarung davon abgewichen werden kann. Man darf gespannt sein.

Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht

BB 2022, 1074