Im Blickpunkt

Im Blickpunkt

Abbildung 19

Zwar konnte sich im April 2022 kein Modell für eine allgemeine Impfpflicht der Ampel-Koalition im Deutschen Bundestag durchsetzen. Jedoch gilt bereits seit dem 15.3.2022 für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich gem. § 20a IfSG eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Danach dürfen etwa in Krankenhäusern und Pflege- oder Seniorenheimen, grundsätzlich nur Personen beschäftigt werden, die vollständig geimpft sind oder einen aktuellen Genesenennachweis vorlegen können. Laut PM Nr. 2/2022 des LAG Schleswig-Holstein vom 14.4.2022 riskiert ein Arbeitnehmer, welcher seinem Arbeitgeber eine aus dem Internet ausgedruckte ärztliche “Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit” vorlegt, ohne dass eine Untersuchung durch den bescheinigenden Arzt erfolgt ist, die Kündigung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses – vorliegend eine seit dem Jahr 2001 bei einer Klinik beschäftige Krankenschwester. Dies hat jüngst das ArbG Lübeck (14.4.2022 – 5 Ca 189/22) entschieden. Die Klägerin hat ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung vorgelegt, die aus dem Internet ausgedruckt und erstellt wurde, obwohl eine Besprechung mit der Ärztin nicht, auch nicht in digitaler Form stattfand. Die Beklagte hat den mit der Klägerin bestehenden Arbeitsvertrag fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Das Arbeitsgericht sah die hilfsweise ordentliche Kündigung unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist aufgrund des Fehlverhaltens der Klägerin als sozial gerechtfertigt und damit wirksam an. Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, stellt eine sehr schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar, die das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstört. Aus § 20a IFSG ergibt sich für eine solche Konstellation kein arbeitsrechtliches Kündigungsverbot (s. zur Freistellung und zu Anträgen auf Beschäftigung einer Pflegefachkraft sowie eines Wohnbereichsleiters eines Seniorenheims trotz Nichtvorlage eines Impf-/Genesenennachweises, ArbG Gießen, 12.4.2022 – 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22). Dies erscheint folgerichtig und vor allem seitens der Arbeitnehmer dringend beachtenswert.

Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht

BB 2022, 947