Sie kommt: Betriebsrente 2.0!

Sie kommt: Betriebsrente 2.0!

Abbildung 1

Die Koppelung der Altersvorsorge an Sozialpartner und Tarifverträge ist der falsche Weg, der durch das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz nur unzureichend korrigiert wird.

Mit beschleunigtem Tempo hat die Bundesregierung den Ampel-Anlauf des vergangenen Jahres für das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz aufgegriffen. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass dieser Anlauf zum Abschluss kommen wird. Doch wird allenthalben die Metapher des “großen Wurfs” bemüht, der das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz nicht ist – eine Einschätzung, der ich mich anschließe.

Da Beitragszusagen nur durch Tarifvertrag oder auf Grundlage eines Tarifvertrags eingerichtet werden können, führt das Gesetz die schon gebräuchliche Bezeichnung als “Sozialpartnermodell” ein. Die Bindung der Beitragszusage an Tarifverträge durch das (erste) Betriebsrentenstärkungsgesetz ist jedoch eine Fehlentwicklung. Das setzt die Einführung von Beitragszusagen (tarif-)politischen Einflüssen aus. Das stellt nicht tarifgebundene Arbeitgeber nach einem Betriebsübergang beispielsweise vor die bislang wenig beachtete Frage, unter welchen Bedingungen sie eine Beitragszusage weiterführen können oder welche Alternativen sie haben, wenn sie das nicht möchten. Die Begründung des damaligen Gesetzgebers für das Sozialpartnermodell (höhere Akzeptanz, kostengünstige und leistungsstarke Durchführung, branchenspezifische Zuschneidung) erscheint nicht überzeugend.

Das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz korrigiert dies nur unzureichend. Weiterhin braucht es einen Tarifvertrag als Ursprung des Sozialpartnermodells. Zwar sollen nicht tarifgebundene Arbeitgeber in weiterem Umfang als bisher bestehende Sozialpartnermodelle zur Anwendung bringen können. Dennoch werden sich nicht tarifgebundene Arbeitgeber weiterhin überlegen, ob eine wie auch immer geartete Verbindung zu den Gewerkschaften gewünscht ist.

Auch Optionssysteme können bislang nur durch Tarifvertrag oder auf Grundlage eines Tarifvertrags eingeführt werden. Zwar führt das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz Optionssysteme allein auf Grundlage von Betriebsvereinbarungen ein, aber nur, wenn das umgewandelte Entgelt nicht und auch nicht üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt ist. Das lässt kaum Spielraum für Betriebsvereinbarungen. Denn Entgelt wird regelmäßig, jedenfalls aber üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber selbst einem Tarifvertrag unterworfen ist. Die Üblichkeit schränkt auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber ein, wenn in ihrem Tarifbereich eine Regelung üblich ist.

Nicht nachvollziehbar ist, warum Arbeitgeber in einem Optionssystem durch Betriebsvereinbarung verpflichtet werden sollen, einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung in Höhe von 20 % des umgewandelten Entgelts zu gewähren. Dieser tritt an die Stelle des schon bestehenden Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung und ist anders als dieser nicht an eine Ersparnis in der Sozialversicherung gekoppelt.

Die Möglichkeit, Versorgungsanwartschaften abzufinden, soll erweitert werden. Allerdings gelten für höhere Abfindungsgrenzen zwei Einschränkungen: (1.) die Abfindung kann nicht ohne Zustimmung der Arbeitnehmer erfolgen und (2.) der Abfindungsbetrag muss in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden. Es steht zu befürchten, dass aufgrund dieser Einschränkungen von dieser Abfindungsmöglichkeit kaum Gebrauch gemacht wird.

Konsequent erscheint das Recht der Versorgungsberechtigten, die Betriebsrente auch schon vor Erreichen der Regelaltersgrenze bei Bezug einer Teilrente in Anspruch nehmen zu können. Denn seit Anfang 2023 gibt es keine Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr, so dass neben der gesetzlichen Rente ohne eine Anrechnung weiterhin Erwerbseinkommen bezogen werden kann. Dementsprechend soll in Zukunft auch ein Anspruch auf Betriebsrente neben einer gesetzlichen Rente bestehen, egal ob Vollrente oder Teilrente.

Dies wirft allerdings Fragen auf, die Unternehmen beantworten müssen. Erwerben Arbeitnehmer trotz Inanspruchnahme der Betriebsrente während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses weiterhin (dienstzeitabhängige) Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung? In welcher Höhe wird in Gesamtversorgungssystemen die gesetzliche Rente angerechnet? Ist wegen des Ausscheidens vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag zulässig? Versorgungsordnungen sollten Antwort darauf geben. Die gesetzliche Neuregelung gibt den Unternehmen den Anlass und Handlungsspielraum für die erforderlichen Änderungen.

Die beiden grundlegenden Neuerungen, die zum 1.1.2018 eingeführt wurden, die reine Beitragszusage und Optionssysteme, haben sich bislang in der Breite nicht durchsetzen können. Daran wird auch das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz nichts ändern. Diese Bedenken sollen aber nicht in Frage stellen, dass auch viele Änderungen durch das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz Verbesserungen darstellen. Zu nennen sind insbesondere die Digitalisierung der Kommunikation im Rahmen der gesetzlichen Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein aG, Änderungen beim bAV-Förderbetrag für Geringverdiener, die Fortführung von Versicherungsverträgen nach Beitragsfreistellung, Flexibilisierungen für Pensionskassen und Pensionsfonds oder die Inanspruchnahme von Wertguthaben vor Erreichen der Regelaltersgrenze neben dem Bezug einer gesetzlichen Voll- oder Teilrente. Dennoch gelingt der große Wurf nicht. Zu viele Änderungen dürften in der Praxis zu wenig Relevanz haben. Nicht alle diskutierten und geforderten Reformen wurden in Angriff genommen. Gleichwohl sind die geplanten Änderungen im Grundsatz zu begrüßen.

Dr. Thomas
Frank
ist seit 2004 im Bereich der betrieblichen Altersversorgung tätig und ist seit 2010 Rechtsanwalt im Pensions-Team der Kanzlei Hogan Lovells in München.

Frank, BB 2025, Heft 46, Umschlagteil, I