Neue IFRS-Beispiele zur Berichterstattung über die Auswirkungen klimabezogener Risiken: Praxishilfe oder Standardsetting durch die Hintertür?

Neue IFRS-Beispiele zur Berichterstattung über die Auswirkungen klimabezogener Risiken: Praxishilfe oder Standardsetting durch die Hintertür?

Abbildung 1

Gleich sechs Musterangaben des IASB werden die kommende Abschlusssaison beeinflussen – es bleibt den Unternehmen nur wenig Zeit zur Einordnung.

Im März 2023 fügte der International Accounting Standards Board (IASB) seinem aktiven Arbeitsplan ein Projekt namens “Climate-related Risks in the Financial Statements” hinzu, um Maßnahmen zur Verbesserung der Berichterstattung über die Auswirkungen klimabezogener Risiken in Abschlüssen nach International Financial Reporting Standards (IFRS) zu untersuchen. Ausgangspunkt der Entscheidung war eine starke diesbezügliche Stakeholder-Nachfrage im Zuge der vorangegangenen dritten IASB-Agendakonsultation.

Im Juli 2024 präsentierte der IASB dann den Exposure Draft ED/2024/6 “Climate-related and Other Uncertainties in the Financial Statements: Proposed illustrative examples” (s. dazu auch Berger, BB 2024, 2091 ff.). Durch das Rebranding des Projekts gab man – zumindest im Titel – den starren Fokus auf Risiken und Klima auf. Inhaltlich enthielt der ED acht Beispiele, die veranschaulichen sollen, wie nach Auffassung des Standardsetzers bestehende Anforderungen der IFRS im Umgang mit Unsicherheiten, insbesondere im Zuge der Angabepflichten, im Anhang umzusetzen seien.

Für das deutsche Rechtsumfeld kommt schnell die Frage auf, ob derartige Angaben bei entsprechender Relevanz nicht bereits durch den Lagebericht abgedeckt und dort auch besser platziert sind. Aber auch andere Jurisdiktionen hinterfragen eine Verortung der Risikoberichterstattung im Anhang durchaus.

Im Juni 2025 beschloss der IASB davon unbeirrt, seine Vorschläge aus dem ED mit wenigen Änderungen – darunter die Zusammenlegung von zwei Beispielen sowie die Streichung eines weiteren – zu finalisieren. Seit dem 24.7.2025 steht nun eine Vorabfassung der endgültigen neuen Musterangaben zur Verfügung, die noch im Oktober 2025 veröffentlicht werden sollen. Beispiele sind nicht Teil der originären Standards, bedürfen also keines Erstanwendungszeitpunkts. Insofern lohnt sich für jeden Anwender bereits ein Blick in die kurzfristig zu erwartenden Ergänzungen des Bound Volume. Wenngleich die neuen Beispiele nach den Ankündigungen des IASB “nur” bestehende Regelungen illustrieren sollen, sind gleichwohl spannende Abwägungen in der Berichterstattungspraxis zu erwarten.

Exemplarisch sei hier das erste Beispiel aufgegriffen. Es behandelt die Anwendung des Wesentlichkeitskalküls aus IAS 1.31 bzw. IFRS 18.20. Demnach muss ein Unternehmen prüfen, ob zusätzliche Angaben zu machen sind, wenn die Einhaltung der spezifischen Anforderungen der IFRS nicht ausreicht, um die Adressaten von Abschlüssen hinreichend zu informieren.

Das Beispiel kommt dabei zu dem Schluss, dass ein Fertigungsunternehmen in kapitalintensiver Branche, welches klimabezogenen Risiken unterliegt, zu benennen und zu begründen habe, wenn ein Transitionsplan keine wesentlichen finanziellen Auswirkungen hat. Demgegenüber sei bei einem Service-Unternehmen mit niedrigen klimabezogenen Transitionsrisiken keine solche Aussage notwendig, wenn keine finanziellen Auswirkungen der unternehmensinternen Regelungen zu erwarten sind. Im Ergebnis werden hier durch den IASB also vermeintliche Angabepflichten illustriert, die in Abhängigkeit von der allgemeinen Markterwartung nicht nur Zusatzangaben, sondern mitunter eindeutige Negativmeldungen verlangen.

Insgesamt wurden Beispiele im Anwendungskontext verschiedener Standards, wie etwa IFRS 7 und 9 zu Ausfallrisiken, IAS 36 zu Wertminderungen, IAS 37 zu Rückstellungen und insbesondere zu Wesentlichkeit, Annahmen oder Disaggregation unter IAS 1 respektive IFRS 18, entwickelt. Gegenstand sind dabei stets klimabezogene Transitionsrisiken, die z. B. auf die Prämissen bei der Bilanzierung von Geschäftsvorfällen oder auch auf (noch) nicht bilanzierte Sachverhalte wirken. Andere Risikodimensionen enthalten die Beispiele indes nicht.

Dabei gilt auch für die vorliegenden Beispiele das übliche Dilemma: Obwohl sie allgemeine Vorgaben veranschaulichen sollen, erzeugen sie einen Fokus auf bestimmte Fallgestaltungen. Vielfach wird dann entgegnet, dass ein Analogieschluss auf andere Fälle möglich und sogar geboten sei. Dies wirft allerdings die Frage auf, weshalb der IASB nicht selbst einzelne Beispiele aus dem ursprünglichen ED per Analogieschluss auf andere Themen übertragen hat. Im Gegenteil wurde ausgerechnet Beispiel 5, welches sich als einziges nicht originär mit Klimarisiken beschäftigt, gestrichen. Inhaltlich ist die Streichung zwar nachvollziehbar, gleichwohl aber durchaus bezeichnend für den sehr starken Fokus des Projekts.

Die Beispiele verdeutlichen zudem den fließenden Übergang zwischen der Illustration von Standards und der Standardsetzung selbst. Es bleiben Zweifel, ob bestimmte Aspekte nicht in den Haupttext der IFRS hätten inkorporiert werden sollen. Die Beispiele suggerieren eine so in der Berichterstattungspraxis bislang nicht beobachtbare Breite, Ausprägung und Granularität zu risikobezogenen Angaben im Anhang. Damit stellt sich die Frage nach dem Verbindlichkeitsgrad und der Ausstrahlungswirkung des Materials. In dem Zusammenhang ist interessant, dass die Arbeitspapiere des IASB auch Befassungen zu Übergangsvorschriften und der etwaigen Erstanwendung enthalten. Man sollte meinen, dass dies gar kein Thema wäre, so die Beispiele eben nur bereits Gültiges veranschaulichten.

Die Beispiele unterliegen nicht der EU-Indossierung und bedürfen somit keiner Freigabe durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und der Europäischen Institutionen. Man darf daher gespannt sein, wie diese dann noch sechs Beispiele ab Verfügbarkeit im Herbst 2025 vom Markt antizipiert werden. Dies schließt neben den Unternehmen selbst auch die Prüfer und nicht zuletzt das Enforcement mit ein.

Prof. Dr. Sven
Morich
, WP/StB, ist Vizepräsident und Leiter des Fachausschusses Finanzberichterstattung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e. V. (DRSC), Mitglied des Financial Reporting Board der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), Vertreter im Accounting Standards Advisory Forum der IFRS-Stiftung sowie Professor an der University of Europe for Applied Sciences, Berlin.

Morich, BB 2025, Heft 32-33, Umschlagteil, I