Omnibus-Vorschläge der EU-Kommission: Neue Chance für die Verbindung von Unternehmenssteuerung und -berichterstattung im Nachhaltigkeitskontext?

Omnibus-Vorschläge der EU-Kommission: Neue Chance für die Verbindung von Unternehmenssteuerung und -berichterstattung im Nachhaltigkeitskontext?

Abbildung 1

Eine auf die relevanten Aspekte fokussierte Berichterstattung eröffnet eine größere Chance, dass Nachhaltigkeitsinformationen eine bedeutsame Rolle in der Strategie und Steuerung eines Unternehmens spielen werden.

Der Bericht von Mario Draghi zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU und eine sich rasant verändernde globale politische und wirtschaftliche Situation haben dazu geführt, dass Brüssel neben der Verteidigungspolitik die Wettbewerbsfähigkeit der EU aktuell als das zentrale Thema der kommenden Jahre ausgemacht und mit der Erklärung von Budapest zum New Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, dem Competitiveness Compass sowie dem Arbeitsprogramm 2025 der Europäischen Kommission erste Maßnahmen ergriffen hat. Um Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen, soll u. a. die als zu hoch eingestufte Berichtslast von Unternehmen – verstanden als Bürokratieaufwand – reduziert werden. Als eine wichtige Stellschraube wurde dabei die Nachhaltigkeitsberichterstattung identifiziert, obwohl es sich bei der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) um “brandneue” Vorschriften handelt, deren stufenweise Anwendung gerade erst angelaufen ist – und die in Deutschland in Ermanglung einer nationalen Umsetzung der Richtlinie noch gar nicht verpflichtend anzuwenden sind. Die EU-Kommission nimmt jedoch im Gesamtkontext die überraschend frühe Änderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Kauf und betont, dass an den Grundfesten des European Green Deal und des Sustainable Finance Action Plan festgehalten werden soll.

Ein Anfang ist nun gemacht: Die Kommission hat am 26.2.2025 die ersten der sog. Omnibus-Vorschläge zur Änderung u. a. der CSRD, der ESRS und der EU-Taxonomie veröffentlicht. Ziel ist eine Entlastung der Unternehmen um mindestens 25 %, KMU sollen gar um mindestens 35 % entlastet werden. Die Vorschläge sehen eine deutliche Reduktion des Anwendungsbereichs der CSRD (grundsätzlich nur noch große Unternehmen mit mehr als 1 000 Mitarbeitern), eine Verschiebung des Anwendungszeitpunkts für Unternehmen der zweiten und dritten Welle um zwei Jahre sowie den (vorläufigen) Verzicht auf sektorspezifische ESRS vor. Außerdem sind Erleichterungen bei der EU-Taxonomie-Berichterstattung vorgesehen und das “Set 1” der ESRS, bestehend aus mehr als 1 000 Datenpunkten, soll grundlegend überarbeitet werden: Es geht dabei um die Entfernung von weniger relevanten Datenpunkten, die Priorisierung von quantitativen gegenüber qualitativen Datenpunkten und die Überprüfung des Verhältnisses von verpflichtenden zu freiwilligen Datenpunkten. Von den Erleichterungen verspricht sich die Kommission insgesamt einen geschätzten Einsparungseffekt von 6,3 Mrd. Euro pro Jahr.

Das Echo auf die Vorschläge ist geteilt: Während Bestrebungen zur Vereinfachung grundsätzlich begrüßt werden, gibt es auch Bedenken: Würde künftig eine zu kleine Anzahl von Unternehmen zu wenig über Nachhaltigkeit berichten – mit fatalen Folgen für die Nachhaltigkeitsziele der EU? Das Gegenteil könnte allerdings der Fall sein: Eine Berichterstattung, die konsequent an den Interessen der relevanten Stakeholder ausgerichtet ist, kann neue Chancen eröffnen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung besser mit der Unternehmensstrategie und -steuerung zu verzahnen. Denn nur dann, wenn die berichteten Informationen in der Strategie und der Steuerung eine entscheidungsrelevante Rolle spielen, können sie ihre transformative Wirkung entfalten.

Wie kann dies gelingen? Fokus und Relevanz sind hier die Stichworte. Mit Blick auf die gegenwärtigen Regeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zeigt sich nämlich: Wer den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, dem wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung wenig nutzen. Denn auch Adressaten sind an relevanten, klaren und eindeutigen Informationen interessiert. Ein “Information Overload” ist nicht zielführend. Adressaten brauchen eine fokussierte und die relevanten Aspekte enthaltende Informationsbasis, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.

Um dies zu erreichen, bedarf es einer spürbaren Reduktion der Berichtspflichten. Dies gilt umso mehr mit Blick auf die Unternehmen, die zukünftig erstmalig verpflichtend Nachhaltigkeitsinformationen berichten müssen (insbesondere die sog. Welle 2). Eines ist klar: Es muss Anreize geben, “grün” zu agieren. Dies gilt umso mehr für Investoren, die Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken (sollen). Nur so wird Nachhaltigkeit eine bedeutsame Rolle in der Strategie eines Unternehmens spielen. Wichtig ist daher auch eine sinnvolle Verzahnung sämtlicher Instrumente im Nachhaltigkeitsbaukasten der EU – u. a. CSRD, ESRS, Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), EU-Taxonomie und Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Wenn eine Reduzierung der Berichtspflichten im Sinne einer Fokussierung auf das Relevante gelingt, kann dies der Nachhaltigkeitsberichterstattung insgesamt einen Schub an Akzeptanz und Wirksamkeit bei internen und externen Stakeholdern geben.

Die Verhandlungen zu den Vorschlägen in Brüssel sind nun gestartet. Vor dem Hintergrund der politischen Gemengelage lässt sich ahnen: Einfach wird es nicht. Und wenn diese Hürde genommen ist, muss der deutsche Gesetzgeber erst noch nachziehen und die dann angepasste CSRD sowie die anderen Änderungen aus den aktuellen Gesetzesbemühungen umsetzen. Trotzdem sollten Unternehmen eines nicht aus den Augen verlieren: Strategie, Steuerung und Nachhaltigkeitsberichterstattung eines Unternehmens müssen gesamthaft gedacht werden!

Dipl.-Kfm. Jens
Berger
, CPA, ist Partner bei der Deloitte GmbH WPG in Frankfurt a. M. und Leiter des IFRS and Corporate Reporting Centre of Excellence. Er ist Mitglied des Global IFRS Leadership Team von Deloitte sowie des Beirats im Betriebs-Berater und wirkt in diversen Arbeitskreisen und -gruppen bei der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), Accountancy Europe, dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) und dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC). Er gibt in diesem Beitrag seine persönliche Meinung wieder.

Berger, BB 2025, Heft 14, Umschlagteil, I