Kommissionsvorschläge zur Betriebsratsvergütung – kein großer Wurf?!

Kommissionsvorschläge zur Betriebsratsvergütung – kein großer Wurf?!

Abbildung 1

Bis auf die Stärkung betrieblicher Regelungen bleiben wesentliche Praxisprobleme ungelöst

Neben der Arbeitszeit hat kaum ein Thema die Arbeitsrechtswelt in den letzten Monaten so sehr beschäftigt wie die Frage nach der richtigen Betriebsratsvergütung. Die wiederholten strafgerichtlichen Entscheidungen, zuletzt vom BGH (10.1.2023 – 6 StR 133/12) haben viele Akteure aufgeschreckt. Von “der Politik”, bei Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Industrieverbänden, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern war der Ruf nach größerer Rechtssicherheit kaum zu überhören.

Dabei vermischten sich die zum Ausdruck gebrachte Angst vor strafrechtlichen Risiken für Geschäftsführer mit dem politischen Ruf von Arbeitnehmer-/Gewerkschaftsseite nach Anerkennung der Betriebsratsarbeit als Management-(ähnliche) Tätigkeit, die entsprechend eine Vergütung “auf Augenhöhe mit Managern” erfordere. In der Konstellation hat Bundesminister Heil eine Kommission mit dem Präsidenten des BSG, Prof. Dr. Schlegel, der ehemaligen Präsidentin des BAG, Frau Schmidt, und von Prof. Dr. Thüsing eingesetzt; sie möge Vorschläge zur Verbesserung der Rechtssicherheit – bei Beibehaltung des Ehrenamtsprinzips unterbreiten. Dieses klare Bekenntnis zum Ehrenamtsprinzip ist der wichtigste Teil der Kommissionsvorschläge. Den vielfältigen Forderungen, dass Betriebsratsmitglieder wie Vorstände verdienen müssten, wenn und weil sie mit diesen verhandeln, wird eine klare Absage erteilt. Welche Problempunkte behandeln die Kommissionsvorschläge?

  • Vergleichsgruppentauglich sind nur Mitarbeiter:innen desselben Betriebs. Bei Tätigkeiten, die im Unternehmen zwar mehrfach, aber je Betrieb nur einmal vorkommen, ein kaum zu lösendes Dilemma. Der Vorschlag sieht und behandelt dieses Problem, schlägt aber keine Änderung des Gesetzeswortlauts vor.

  • Explizit im Gesetz festgehalten werden soll die st. Rspr. des BAG, wonach die Vergleichsgruppenbildung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Wahl abzustellen hat. Zugleich soll explizit vorgesehen werden, dass ausnahmsweise – aus sachlichen Gründen – eine Änderung der Vergleichsgruppe möglich sein soll. Das ist zu begrüßen; die Begründung (d. h. das gewünschte Rechtsprechungsverständnis dazu) sind stimmig.

  • Eine zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarte Vergleichsgruppe soll nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können. Der Gedanke dahinter – die Betriebspartner sollen bei der im Einzelfall rechtlich und tatsächlich schwierigen Entscheidungsfindung Spielraum erhalten; Angst vor Fehlern gemildert werden. Das ist richtig – sofern der Prüfungsmaßstab nicht von den Betriebspartnern oder den Gerichten als carte blanche verstanden wird.

§ 37 Abs. 4 BetrVG sieht die Untergrenze für eine zulässige Vergütung von Betriebsratsmitgliedern vor; eine höhere Vergütung gegenüber vergleichbaren Kolleg:innen kann aber gerechtfertigt oder sogar geboten sein. Erfolgt sie nur im Hinblick auf das Betriebsratsamt nicht, liegt darin eine Benachteiligung im Sinne des § 78 BetrVG. Um diesen – scheinbaren – Widerspruch zwischen § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 BetrVG aufzulösen, soll

  • § 78 BetrVG um einen weiteren Satz ergänzt werden. Danach soll eine Begünstigung oder Benachteiligung nicht vorliegen, wenn das Betriebsratsmitglied die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt und die Festlegung im Einzelfall nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Dieser Zusatz ändert nichts an der Rechtslage; die Begründung dazu wirft hingegen eher weitere Fragen auf. Gerade die viel diskutierte und auch strafrechtlich problematisierte Frage der “hypothetischen Karriere” bedarf, so die Kommission, keiner Kodifikation. Welche Klarstellung die Ergänzung des § 78 BetrVG herbeiführen soll, erschließt sich jedoch nicht.

Ein in der Praxis bestehendes echtes Problem behandelt die Kommission leider nicht – die Bonifizierung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Hier war in der Vergangenheit stets ebenfalls an die Vergleichsgruppe angeknüpft worden. Das BAG hält das für rechtswidrig und verlangt ein subjektives Element (vgl. BAG, 29.4.2015 – 7 AZR 123/13; BAG, 14.10.2020 – 7 AZR 268/18). Das ist bei Betriebsratsmitgliedern, die zum Teil seit Jahrzehnten freigestellt sind, ein Ding der Unmöglichkeit. An der Stelle wäre für beide Seiten wirklich eine Klarstellung hilfreich gewesen. Die Anerkennung, dass ein Großteil der öffentlichen – teils hysterischen – Diskussion um Betriebsratsvergütung und Strafbarkeit an der Praxis vorbeigeht, ist erfreulich. Einzelne (wiederholte) Ausreißer aus einzelnen Konzernen wären ein schlechter Anlass für einen “großen Wurf”, also die grundlegende Veränderung der Prinzipien.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Ergänzungen des Gesetzes überzeugen nicht wirklich. Tägliche Praxisprobleme werden von der Kommission teilweise richtig benannt, aber keiner gesetzgeberischen Lösung zugeführt (Betriebsbezug der Vergleichsgruppe); andere Punkte werden trotz Praxisrelevanz gar nicht gesehen (Bonifizierung). Zu unterstützen ist das Drängen auf betriebliche Einigungen zu Systematik und Benennung von Vergleichsgruppenbildungen. Der Vorschlag geht hier in die richtige Richtung; sollte er vom Gesetzgeber übernommen werden, liegt der Ball im Feld der Gerichte. Dann bleibt zu hoffen, dass die eingeräumten Beurteilungsspielräume nicht als Persilschein ausgelegt werden.


Bernd
Weller
, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist Partner der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek und Co-Head der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Seit vielen Jahren liegt der Fokus seiner Beratung von Unternehmen auf betriebsverfassungsrechtlichen Fragen.

Weller, BB 2023, Heft 44, Umschlagteil, I