Inclusion und Diversity-Programme – notwendige Treiber für den Unternehmenserfolg
Wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung eines D&I-Programms sind vor allem sichtbare Handlungen und Entscheidungen, um nicht als bloße PR-Maßnahme zu enden.
Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es zum Thema Vielfalt: “Jede und Jeder hat die gleichen Rechte, sollte die gleichen Chancen haben und vor Diskriminierung geschützt sein. Wir fördern die vielfältige, tolerante und demokratische Zivilgesellschaft.” Sinnbildlich hierfür wurde die Hälfte der Ministerposten erstmalig mit Frauen besetzt.
Laut einer weltweiten Studie haben 37 % der befragten Berufstätigen, darunter auch Berufstätige in Deutschland, Diskriminierung am Arbeitsplatz selbst erfahren oder beobachtet (Studie von Glassdoor: Diskriminierung am Arbeitsplatz ist ein Problem | marktforschung.de, Abruf: 20.12.2021). Vor diesem Hintergrund erstaunlich ist, dass deutsche Unternehmen bei Themen wie Inklusion und Diversität hinterherhinken.
Während in den USA und damit auch in US-Konzernen das Thema Diversity in den letzten Jahren enorme Bedeutung gewonnen hat und mittlerweile zum Standard-Repertoire im Bereich HR/Employment gehört, besteht in Deutschland noch erheblicher Aufholbedarf.
Warum Diversität und Inklusion nicht nur ein Lippenbekenntnis sein sollte, zeigt eine aktuelle Studie der Beratungsfirma McKinsey über den Zusammenhang zwischen Diversität und Unternehmenserfolg (abrufbar unter https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2020/2020-05-19 %20diversity%20wins/report%20diversity-wins-how-inclusion-matters%202020.pdf, Abruf: 20.12.2021). Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass Unternehmen erfolgreicher sind, je diverser sie in Bezug auf Geschlecht und ethnische Herkunft sind. Unternehmen mit hoher Gender-Diversität haben eine um 25 % und damit signifikant größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Derselbe Faktor beträgt in Bezug auf ethnische Diversität sogar 36 %. Hieran zeigt sich auch, dass die häufige Gleichsetzung von Diversity mit Förderung von Frauen die Debatte verkürzt.
Vergegenwärtigt man sich die zunehmende Komplexität und Internationalität des Wirtschaftsgeschehens, leuchten die Vorteile einer von Vielfalt geprägten Meinungsbildung in der Führungsebene unmittelbar ein. Hinzu kommt der sich perspektivisch noch verschärfende Fachkräftemangel, der Unternehmen dazu zwingen wird, den verfügbaren “Talent-Pool” zu vergrößern. So ist beispielweise schon seit einigen Jahren der Teil der weiblichen Absolventen des 1. und 2. Staatsexamens deutlich höher als der der männlichen. Dennoch sind Partnerinnen in Kanzleien noch immer deutlich in der Minderheit. Arbeitgeber, die hier nicht umdenken, werden auf Zeit für mehr als 50 % der verfügbaren Talente unattraktiv. Es wird darum gehen, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich jeder Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin akzeptiert fühlt, was regelmäßig mit “Role Models” in Führungspositionen und deren Handeln verbunden ist. Diversität sollte aus diesen Gründen als strategischer Unternehmensansatz verstanden werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen können hierbei bestenfalls unterstützen. Worauf es ankommt, ist ein Mentalitätswandel, der sich durch rechtliche Vorgaben nicht ersetzen lässt. Im Koalitionsvertrag hat sich die neue Regierung die ökonomische Gleichstellung zum Ziel gesetzt. Neben der zwingenden Frauenquote für die Besetzung von Aufsichtsräten gilt ab August 2022 nun teilweise für Vorstände auch eine Frauenquote. Richtige Schritte sind sicherlich auch das Schließen von Lohnlücken sowie die Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (s. hierzu Mayer, BB 39/2021, “Die Erste Seite”).
Gesetzlich bereits geregelt ist das Benachteiligungsverbot wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Es handelt sich hierbei aber um ein Diskriminierungsverbot und nicht um ein Förderungsgebot. Auch die vorgesehenen AGG-Schulungen nach § 12 AGG schaffen bestenfalls ein größeres Bewusstsein unter den bereits existierenden Mitarbeitern.
Wer auf diesem strategisch wichtigen Feld mehr tun will, muss aktiv steuern und handeln. Die aktive Förderung bestimmter Mitarbeitergruppen kann eine sogenannte “reverse discrimination” rechtfertigen. Prominentes Beispiel war die Frage, ob die Gewährung von mehr Urlaubstagen für ältere Arbeitnehmer im Einklang mit dem AGG steht. Das Bundesarbeitsgericht (9 AZR 956/12) urteilte, dass die Bevorzugung einer Mitarbeitergruppe nicht zwangsläufig eine verbotene Benachteiligung für die übrigen Arbeitnehmer sei.
Unternehmen in Deutschland könnten noch aktiver tätig werden. Maßgeblich ist vor allem die gelebte Unternehmenskultur. Eine offene, inklusive Unternehmenskultur kann auch nachweislich die Mitarbeitermotivation fördern und Impulse für neue, kreative Ideen bringen.
Vor Umsetzung von Diversity & Inclusion (D&I)-Programmen sollte zunächst der Ist-Zustand im Unternehmen festgestellt werden, z. B. durch Umfragen zur Zufriedenheit unter den Mitarbeitern und durch Analyse der Mitarbeiterstruktur.
Die Antwort auf den Befund sollte sich nicht auf die Schaffung von Regelwerken, Präsentationen oder die Implementierung eines “Diversity-Managers” beschränken. Wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung sind vor allem sichtbare Handlungen und Entscheidungen. Die gezielte Beförderung oder Überantwortung eines wichtigen Projekts inklusive der notwendigen Unterstützung mögen bisweilen schwere Entscheidungen sein. Aber genau deshalb erzielen sie auch ihre Wirkung. Fehlen solche Entscheidungen, wirken die häufig aufwendig gestaltenden Programme und die zugehörige Unternehmenskommunikation wie eine bloße PR-Maßnahme. Bei der betroffenen Zielgruppe wirkt die schlimmstenfalls kontraproduktiv.
Dr. Steffen
Scheuer
, RA/FAArbR, ist Partner im Münchner Büro der internationalen Kanzlei Baker McKenzie und berät Arbeitgeber bei allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen.
Scheuer, BB 2022, Heft 03, Umschlagteil, I