Bürokratiearm und europarechtskonform – so soll das neue Entgelttransparenzgesetz sein!
Der Kommissionsbericht ist eine Fundgrube für den Gesetzgeber.
Die von Ministerin Karin Prien eingesetzte Kommission zur bürokratiearmen Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Er ist eine Fundgrube für den Gesetzgeber mit vielfältigen Anregungen zur bürokratiearmen Umsetzung. Schon im Vorwort des Kommissionsvorsitzes wird allerdings auch betont, dass im Verlaufe der Beratungen in der Kommission das Spannungsfeld deutlich wurde, das zwischen einer möglichst unbürokratischen Ausgestaltung für die betriebliche Praxis einerseits und der (EU-)rechtskonformen Umsetzung des Gesetzes andererseits besteht. Sieht man sich die Sondervoten einiger Kommissionsmitglieder genauer an, dann wird deutlich, wo die politischen, aber auch die rechtlichen Fallstricke liegen.
Die Urteile in den Sondervoten reichen von “immer noch viel zu bürokratisch” bis zu “klar europarechtswidrig”. Das ist nicht verwunderlich, decken doch die Verfasser der Sondervoten das in der Kommission versammelte Meinungsspektrum ab. Die Sondervoten repräsentieren die Perspektiven des DGB und der BDA, des Bundesverbands der Personalmanager und des Verbands der Unternehmerinnen in Deutschland sowie des Deutschen Juristinnenbundes. Inhaltlich geht es um drei große Bereiche, den Entgeltbegriff, das Thema Betriebsrat und Mitbestimmung und die Behandlung von Tarifverträgen.
Einig war sich die Kommission noch darin, dass eine Präzisierung des Entgeltbegriffs notwendig ist, um die Berichtspflicht nach Art. 9 ETRL nutzbringend umsetzen zu können. Darüber, wie eine solche Präzisierung aussehen könne, gingen die Meinungen allerdings weit auseinander. Die Kommissionsmehrheit empfiehlt, vom Ist-Gehalt, nicht vom Zielgehalt auszugehen und eine Öffnungsklausel vorzusehen, wonach die Unternehmen entscheiden können, ob sie die ergänzenden und variablen Entgeltbestandteile als Summe oder einzeln darstellen und berichten wollen. Dagegen wendet sich ein Sondervotum ausdrücklich. Ein anderes Kommissionsmitglied plädiert dafür, primär das vertraglich vereinbarte Grundgehalt heranzuziehen. Bei der Einbeziehung der Boni bestehe das Problem, dass diese häufig an eine individuelle Leistungsbeurteilung geknüpft seien, einem Faktor, der im Reporting nicht gut nachvollziehbar sei. Mehrfach wird bei der betrieblichen Altersversorgung auf die Berechnungsschwierigkeiten und die mangelnde Vergleichbarkeit bei unterschiedlichen Versorgungswerken hingewiesen.
Ein Sondervotum spitzt das Dilemma anschaulich zu: “Die Diskussion in der Kommission hat gezeigt, dass . . . die Vorgaben durch die EU eng und existierende Entgeltbegriffe nicht zielführend sind. Besonders an dieser Stelle ist daher ein mutiges und gestalterisches Handeln des deutschen Gesetzgebers im Sinne einer eigenen Entgeltdefinition notwendig.”
Die Richtlinie sieht an verschiedenen Stellen Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmervertretungen vor. Die Kommissionsmehrheit versteht darunter immer nur den Betriebsrat. In betriebsratslosen Betrieben könne allenfalls eine Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats in Frage kommen, aber keine Verpflichtung zur Schaffung solcher Gremien und auch keine Ersatzzuständigkeit der Gewerkschaften oder von staatlichen Stellen. Das wird von einigen Mitgliedern dezidiert anders gesehen. Erwägenswert ist aus meiner Sicht allenfalls die Rolle der Gewerkschaft, wenn sich der Diskussionsbedarf aus dem Inhalt eines Tarifvertrages ergibt.
Inhaltlich besteht Übereinstimmung, dass der Betriebsrat bei der Festlegung der Kriterien für die Beurteilung der Vergleichbarkeit von Tätigkeiten mitzubestimmen hat. Daran kann nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 ETRL kein Zweifel bestehen. Bei der Erstellung des Entgelttransparenzberichts will die Kommissionsmehrheit den Betriebsrat auf die von der Richtlinie vorgesehene Rolle beschränken, zur Richtigkeit der dortigen Angaben gehört zu werden. Die Feststellung, ob eine gemeinsame Entgeltbewertung erforderlich ist, soll danach in der alleinigen Zuständigkeit des Arbeitgebers liegen. Hiergegen bringen zwei Sondervoten beachtliche Argumente vor. Wenn der Betriebsrat im Rahmen der gemeinsamen Entgeltbewertung an der Korrektur ungerechtfertigter Entgeltunterschiede mitwirken solle, dann müsse er auch an deren Feststellung beteiligt werden. Eines ist jedenfalls erwägenswert: Wenn der Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz von mindestens 5 % feststellt, aber der Auffassung ist, dieser Unterschied sei durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt, dann muss der Betriebsrat zumindest die Möglichkeit haben, diese Bewertung zu hinterfragen und ggf. mit dem Arbeitgeber zu beraten.
Besonders weit gehen die Meinungen bei der Behandlung von Tarifverträgen auseinander. Hier konnte sich die Kommission lediglich auf eine Angemessenheitsvermutung insofern verständigen, als das individuelle Auskunftsersuchen auf die Tarifgruppe des Auskunftsersuchenden beschränkt werden solle. Vor dem Hintergrund der aktuell geltenden Angemessenheitsvermutung plädiert die BDA für eine umfassende Privilegierung von Tarifverträgen auch im neuen Gesetz, während selbst der DGB zu bedenken gibt, dass dies jedenfalls voraussetzt, dass der Tarifvertrag den Anforderungen von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie genügt. Ob eine mögliche Privilegierung auch dem nur tarifanwendenden Unternehmen zugutekommen soll, wird nach den üblichen Mustern beurteilt. Wer meint, mit jedem arbeitsrechtlichen Gesetz zugleich die Tarifbindung fördern zu müssen, wird die Gleichstellung ablehnen. Mich überzeugt das nicht. Wenn man von einer Angemessenheitsgewähr tarifvertraglicher Regeln ausgeht, dann spielt es keine Rolle, auf welcher Rechtsgrundlage sie angewandt werden.
Auf eine besonders bemerkenswerte Empfehlung der Kommission gehen die Sondervoten nicht ein. Mit breiter Mehrheit plädiert die Kommission für eine gesetzliche Klarstellung, dass die Vergleichsgruppenbildung auch für den individuellen Anspruch auf gleiches Entgelt gilt. In der Konsequenz heißt das, dass der für diese Gruppe zu bildende Durchschnitt einen möglichen Equal-Pay-Anspruch bestimmt und begrenzt. Das ist ein anderes Konzept als der Paarvergleich des BAG.
Dr. Hans-Peter
Löw
, RA, leitet als Senior Counsel gemeinsam mit Nils Grunicke den Fachbereich Financial Services innerhalb der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper in Frankfurt am Main
Löw, BB 2025, Heft 50, Umschlagteil, I
