Das 3. UWG-Änderungsgesetz: Neue Herausforderungen für die Nachhaltigkeitswerbung und die Unternehmenskommunikation
Flickwerk mit großer Detailverliebtheit – UWG-Blacklist bitte wegen Überfüllung schließen!
Eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit ist wichtig. Damit der von der EU-Kommission angestrebte ökologische Wandel gelingt, müssen alle zusammenarbeiten. Von zentraler Bedeutung ist nicht zuletzt ein möglichst informiertes Konsumverhalten. Zur Schaffung dieser Informationsgrundlage bemüht sich der deutsche Gesetzgeber daher aktuell um eine “Begrünung” des UWG. Den Ausgangspunkt für die kommenden Änderungen des UWG bildet die Richtlinie (EU) 2024/825 (EmpCo-RL), die bis zum 27.3.2026 umzusetzen ist. Nachdem der Diskussionsentwurf vom 9.12.2024 bereits während der Zeit des Regierungswechsels Gelegenheit zum Austausch gegeben hatte, stellt der aktuelle Referentenentwurf (UWG-E) nunmehr die zentralen Änderungen vor.
Besonders relevant: Die Regeln zur Werbung mit Nachhaltigkeitssiegeln und Umweltaussagen, welche die Blacklist des UWG, also den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, ergänzen sollen. Was sich bisher zum Teil schon aus gerichtlichen Entscheidungen ergab, ist künftig mit dem schärfsten Schwert des UWG kodifiziert – dem per-se-Verbot ohne Wertungsmöglichkeit. So soll künftig nur noch mit ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitssiegeln geworben werden dürfen, wenn diese auf einem speziellen Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden. Außerdem werden pauschale allgemeine Umweltaussagen wie “grün”, “umweltfreundlich”, “klimaschonend” u. ä. ebenso verboten wie Aussagen zu Umweltauswirkungen von Produkten bei Kompensation von Treibhausgasemissionen. Der BGH selbst hatte im letzten Jahr bereits prominent zur Unzulässigkeit einer “Klimaneutral”-Werbung bei Kompensationsmaßnahmen mit CO2-Zertifikaten entschieden (BGH, 27.6.2024 – I ZR 98/23, BB 2024, 2448 ff.).
Daneben umfasst die Reform auch neue verbraucherschützende Regelungen zu Softwareaktualisierungen und zum Schutz vor geplanter Obsoleszenz. Schließlich verbietet der Gesetzgeber in Umsetzung der Bestimmungen der RL (EU) 2023/2673 auch die Verwendung manipulativer digitaler Designs (“Dark Patterns”) beim Abschluss von Finanzdienstleistungsverträgen im Fernabsatz.
Die Änderungen sind aus Verbraucherschutz- und Nachhaltigkeitserwägungen in Bezug auf ihren Regelungszweck begrüßenswert. Auch wenn derzeit vor allem die Umstellung etablierter Prozesse zur Vergabe von Nachhaltigkeitssiegeln zu Verunsicherung bei privaten Siegelgebern und gleichzeitig zu einem neuen lukrativen Geschäftsfeld für Zertifizierer führt, wird man sich in Zukunft besser auf Werbeaussagen zu Nachhaltigkeit und Umwelt verlassen können. Der Gefahr durch Greenwashing begegnet die strenge Regulierung also effektiv. Sie wird aber wegen des erheblichen Umsetzungsaufwandes sicherlich auch zu Frustration auf Seiten der Unternehmen führen. Zu befürchten ist in der Folge ein unerwünschtes Greenhushing, sprich die vorsorgliche Vermeidung einer – im Zweifel jetzt leichter rechtlich angreifbaren – werblichen Herausstellung eigener Nachhaltigkeitsbemühungen.
Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber aufgrund der insoweit zwingenden Vorgaben der EU-Richtlinie keinen eleganteren Weg verfolgen kann, als die neuen Vorgaben der UWG-Blacklist hinzuzufügen. Aus der ohnehin schon schwer zu überblickenden Verbotssammlung wird damit ein unüberschaubares Sammelsurium.
Hat man sich durch das Regelungsdickicht im Anhang des UWG geschlagen, wird man leider nicht durch klare Erkenntnis belohnt. Obwohl die Blacklist eigentlich konkrete Einzelfälle klar und bestimmt regeln sollte, erschließt sich der Inhalt der meisten neuen Regelungen oft erst unter Hinzuziehung weiterer Begriffsbestimmungen und des sehr umfangreichen Definitionskatalogs des § 2 UWG-E. Dort wird man dann oft wieder in andere Gesetze und DIN-Normen weitergeleitet. Damit wird das UWG mit der Unübersichtlichkeit der Blacklist infiziert und seine Anwendung erschwert.
Es bleibt aber nicht bei diesen rein strukturellen Anwendungsschwierigkeiten. Auch die Reichweite mancher Regelungen ist nicht eindeutig eingrenzbar. Das ist angesichts ihrer Ausgestaltung als per-se-Verbote höchst problematisch. So muss künftig einer allgemeinen Umweltaussage eine “anerkannte hervorragende Umweltleistung” zugrunde liegen, für welche exemplarisch verschiedene “Umwelthöchstleistungen”, wie europäische oder nationale Umweltkennzeichen, genannt werden – weitere Erlaubnisse muss man dann aber im sonstigen geltenden Unionsrecht suchen. Im Hinblick auf die neuen Zertifizierungssysteme muss die Kompetenz und Unabhängigkeit des überwachenden Dritten auf internationalen oder nationalen Normen und Verfahren beruhen, ohne dass jedoch die Art und Weise einer solchen Akkreditierung klar definiert wird.
Rechtsnormen müssen naturgemäß abstrakt sein. Sie sollten aber auch für die Normanwender verständlich sein – vor allem, wenn es sich um per-se-Verbote ohne Wertungsspielraum handelt. Einschließlich der letzten Reform 2022 ist die Blacklist des UWG-E um 19 Verbotstatbestände(!) gewachsen. Sollte sich diese Praxis fortsetzen, muss die Blacklist wegen Überfüllung geschlossen werden.
Auch wenn wir nicht in die Zeiten der alten UWG-Generalklauseln mit reinem case law zurückkehren wollen, wünscht man sich doch gerade auf europäischer Ebene etwas weniger Detailverliebtheit und Vertrauen in die Gerichte, dass diese die zu irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken bereits bestehenden und ausreichenden gesetzlichen Vorgaben im jeweiligen Einzelfall mit Leben füllen können.
Prof. Dr. Ingo
Jung
, RA, ist Partner in der Kanzlei CBH Rechtsanwälte, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Honorarprofessor an der TH Köln. Er berät zu allen Aspekten des Wettbewerbs-, Marken-, Design- und Urheberrechts. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich ESG sowie Digitalisierung mit Fokus auf Medien und KI-Nutzung.
Jung, BB 2025, Heft 34, Umschlagteil, I