Im Blickpunkt

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Abbildung 2

Das Verbot der Beteiligung reiner Finanzinvestoren an einer Rechtsanwaltsgesellschaft ist zulässig (vgl. EuGH, PM Nr. 202/24 vom 19.12.2024 – C-295/23, Tenor sogleich folgend hier auf S. 1 abgedruckt). Ein solches Verbot sei gerechtfertigt, um die anwaltliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Ein Mitgliedstaat dürfe die Beteiligung reiner Finanzinvestoren am Kapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft verbieten. Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs sei durch das Ziel gerechtfertigt, zu gewährleisten, dass Rechtsanwälte ihren Beruf unabhängig und unter Beachtung ihrer Berufs- und Standespflichten ausüben können. Die deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft klagte beim BayAGH gegen einen Bescheid der RAK München vom 9.11.2021, mit dem ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen wurde, nachdem eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsanteile an ihr (nämlich 51 von 100) zu rein finanziellen Zwecken erworben hatte. Nach der zeitlich relevanten deutschen Regelung konnten nur Rechtsanwälte und Angehörige bestimmter freier Berufe Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft werden (mit einer Änderung der BRAO zum 1.8.2022 wurde diese Möglichkeit auf Angehörige weiterer freier Berufe erweitert). Der BayAGH hatte den EuGH zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht befragt. Der EuGH antwortete, dass das Unionsrecht – genauer der freie Kapitalverkehr und die Dienstleistungs-RL (RL 2006/123/EG), die die Niederlassungsfreiheit konkretisiert – einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, nach der es unzulässig ist, dass Geschäftsanteile an einer Rechtsanwaltsgesellschaft auf einen reinen Finanzinvestor (der nicht die Absicht hat, in der Gesellschaft eine bestimmte berufliche Tätigkeit auszuüben) übertragen werden, und die bei Zuwiderhandlung den Widerruf der Zulassung der Gesellschaft zur Rechtsanwaltschaft vorsieht. Diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs sei durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Ein Mitgliedstaat könne nämlich legitimerweise davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt nicht in der Lage wäre, seinen Beruf unabhängig und unter Beachtung seiner Berufs- und Standespflichten auszuüben, wenn er einer Gesellschaft angehörte, zu deren Gesellschaftern Personen zählen, die ausschließlich als reine Finanzinvestoren handeln, ohne den Rechtsanwaltsberuf oder einen anderen, vergleichbaren Regeln unterliegenden Beruf auszuüben. Eine solche Beschränkung gehe nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.

Uta Wichering, Ressortleiterin Wirtschaftsrecht

BB 2025, 1