Substanzbesteuerung bei Einlagenrückgewähr in ausländischen Fondsstrukturen
Die Regelungen zur Einlagenrückgewähr bei internationalen Fondsstrukturen bedürfen dringend einer praktikablen Lösung.
Fiktionen haben bekanntlich gemein, dass sie (vermeintlich) nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Insofern gilt für das Steuerrecht – hier mit seiner Dividendenfiktion nach § 27 Abs. 8 S. 9 KStG – nichts anderes als für die Belletristik.
Aber der Reihe nach: Entsprechend dem Grundsatz, dass bei einer Kapitalgesellschaft der Betriebsvermögenszuwachs und nicht die aus der Gesellschaftersphäre zugeführten Einlageleistungen der Ertragsbesteuerung unterliegen sollen, ist bei einer inländischen Kapitalgesellschaft jährlich das Einlagenkonto zu dokumentieren und gesondert festzustellen, um sicherzustellen, dass eine Einlagenrückgewähr steuerneutral erfolgt und daher nicht letztlich die Substanz besteuert wird.
Dieser Grundsatz gilt auch für ausländische Kapitalgesellschaften, gem. § 27 Abs. 8 KStG, der in seiner derzeitigen Fassung bereits eine turbulente Entwicklung seitens Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung hinter sich hat: Ursprünglich ging die Finanzverwaltung noch davon aus, dass eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch Kapitalgesellschaften, die nicht in einem Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtig sind, gar nicht möglich sei, weil diese im Unterschied zu den in der EU ansässigen Kapitalgesellschaften nicht in der vor dem 1.1.2023 geltenden Fassung von § 27 Abs. 8 KStG genannt wurden. Nach gegenteiliger Ansicht des BFH (10.4.2019 – I R 15/16, BStBl. II 2022, 266, BB 2019, 2415 m. BB-Komm. von Glasenapp, sowie 19.10.2021 – VIII R 7/20, BStBl. II 2022, 366) kann die Feststellung der Einlagenrückgewähr solcher Gesellschaften, für die kein Einlagenkonto geführt wird, im Veranlagungsverfahren der inländischen Gesellschafter erfolgen.
Mit BMF-Schreiben vom 21.4.2022 (IV C 2 – S 2836/20/10001: 002, BStBl. I 2022, 647) schloss sich schließlich die Finanzverwaltung im wesentlichen der BFH-Rechtsprechung an. Seit 2023 werden vom Gesetzeswortlaut des § 27 Abs. 8 KStG erstmals neben EU-Gesellschaften auch Drittstaatengesellschaften erfasst.
Nach Ansicht des BMF sind im Auslandsfall bei der Antragstellung umfangreiche Nachweispflichten zu erfüllen. Zusätzlich können im Einzelfall weitere Angaben, Unterlagen oder Nachweise angefordert werden. Im Ergebnis erhofft man sich wohl einen im Grundsatz zu begrüßenden Gleichklang der Informationsbasis zum reinen Inlandsfall. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass im Hinblick auf die vorhandenen Informationsbeschaffungs- und Nachweismöglichkeiten erhebliche Unterschiede zwischen In- und Auslandsfall bestehen, die es zu berücksichtigen gilt:
Während im Inlandssachverhalt der Einlagenbestand jährlich festgestellt wird und damit im Idealfall das Einlagenkonto lückenlos dokumentiert wird, fehlt eine solche jährliche Dokumentation im Auslandsfall (weil nur auf Antrag). Auch muss im Auslandsfall der Antrag auf der Ebene der einlagenrückgewährenden ausländischen Gesellschaft (und nicht vom inländischen Investor) gestellt werden. Bei internationalen Private Equity-Fondsstrukturen mit den üblichen Streubesitzbeteiligungen der deutschen Investoren werden diese keine gesellschaftsrechtliche Einflussnahme auf die einlagenrückgewährende Gesellschaft haben, um einen solchen Antrag zu erwirken.
Zudem schneidet der Gesetzgeber mit der Dividendenfiktion des § 27 Abs. 8 S. 9 KStG (bei fehlendem Antrag) den Anteilseignern den individuellen Nachweis für das Vorliegen einer Einlagenrückgewähr ab.
Dabei bleibt fraglich, ob die fehlende individuelle Nachweismöglichkeit der Gesellschafter den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zur Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV entspricht (BFH, 4.5.2021 – VIII R 17/18, BFH/NV 2021, 1579, für EU-Gesellschaften). Aber selbst eine solche individuelle Nachweismöglichkeit würde den deutschen Investoren nicht weiterhelfen, wenn in internationalen Fondsstrukturen die Informationen schlicht nicht zu beschaffen sind.
Völlig unklar ist, wie zu verfahren ist, wenn der Nachweis nicht zu führen ist: Nach dem Wortlaut des BMF-Schreibens ist ein Nachweis der unbeschränkten Steuerpflicht der ausschüttenden Kapitalgesellschaft im Drittstaat zu erbringen. Bei hybriden Rechtsformen wie z. B. einer US-LLC, die aus deutscher Gesellschaftersicht als Kapitalgesellschaft qualifizieren mag, während sie nach US-Steuerrecht transparent ist (“check-the-box”), kann die unbeschränkte Steuerpflicht im Gründungsdrittstaat nicht nachgewiesen werden, weil nicht existent.
Im wirtschaftlichen Ergebnis kommt es daher bei fehlendem Nachweis/Antrag zu einer Substanzbesteuerung im Widerspruch zum objektiven Nettoprinzip, wonach das, was der Steuerpflichtige zur Erzielung von Einkommen aufwendet für die Steuererhebung nicht zur Verfügung steht.
Aufgrund dieser praktischen Schwierigkeiten sind deutsche Investoren daher bestrebt, bereits in den Verhandlungen mit dem Fonds (“side letter agreements”) auf einen Rückkauf der Anteile (“redemption of shares”) hinzuwirken. Bei einem Rückkauf der Anteile handelt es sich um einen “echten” Veräußerungsgewinn, bei dem der Einlagebetrag als Anschaffungskosten gilt.
Spätestens bei einem solchen Rückkauf der Anteile spielt der Unterschied zwischen Fiktion (Dividende) und Wirklichkeit (Einlagenrückgewähr) keine Rolle mehr.
Thomas
Funk
, LL.M., RA/StB, Senior Director im Münchner Büro von Alvarez & Marsal GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ist verantwortlich u. a. für die Tax Compliance von ausländischen Private Equity-Fonds mit deutschen Investoren.
Funk, BB 2024, Heft 19, Umschlagteil, I