Der Digital Markets Act ist verabschiedet – jetzt beginnt die Arbeit für alle Beteiligten

Der Digital Markets Act ist verabschiedet – jetzt beginnt die Arbeit für alle Beteiligten

Abbildung 1

Der Erfolg des DMA hängt entscheidend von der Durchsetzung ab – das schließt Compliance und Private Enforcement ein.

Im März erfolgte die politische Einigung, mit der endgültigen Annahme durch den Rat am 18. Juli 2022 – das Europäische Parlament hatte das Vorhaben bereits am 5. Juli 2022 verabschiedet – ist es nun offiziell: Der Digital Markets Act (DMA), das ambitionierte Gesetz der Europäischen Union zur Regulierung sog. digitaler Gatekeeper, kommt. Nach der Sommerpause wird der DMA im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft; nach Ablauf einer Übergangsfrist von sechs Monaten entfalten die Regelungen des DMA dann Wirkung. Bis sich die einzelnen Gatekeeper an die “Dos und Don’ts” des DMA halten müssen, dauert es allerdings noch etwas länger: Die Gatekeeper und ihre Core Platform Services müssen erst noch durch die Kommission benannt werden. Nach Ergehen des Benennungsbeschlusses haben die Unternehmen eine weitere Frist von sechs Monaten, bevor sie die Verpflichtungen in den Art. 5, 6 und 7 DMA, wo die “Dos und Don’ts” geregelt sind, einhalten müssen. Es wird also voraussichtlich 2024 werden, bevor der DMA voll zum Leben erwacht. Das ändert nichts daran, dass die EU den DMA in Rekordtempo vom ambitionierten Kommissionsvorschlag von Dezember 2020 zum gültigen Gesetz gebracht hat. Und angesichts der weitgehenden Regelungen des DMA, das Vorhaben wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht etwa verwässert, sondern im Gegenteil noch verschärft, erscheinen knappe 1,5 Jahre Schonfrist für alle Beteiligten, um sich auf die neuen Regeln und ihre Umsetzung einzustellen, auch nicht übertrieben lang. Umsetzung ist dabei ein wichtiges Stichwort: Bei den materiellen Regelungen sind die Würfel gefallen, nun geht es darum, diese auch zur Anwendung zu bringen. Auf allen Seiten steht viel auf dem Spiel: Die EU hat mit dem DMA weltweit die Vorreiterrolle bei der Regulierung der großen Tech-Unternehmen an sich gezogen und kann es sich nicht leisten, dass das Gesetz zum Papiertiger wird. Für die digitalen Gatekeeper bedeuten viele Regelungen des DMA einen weitreichenden Eingriff in ihre Geschäftsmodelle; zudem drohen ihnen bei fehlender Compliance mit dem DMA drastische Bußgelder von bis zu 20 % des Konzernumsatzes. Und Wettbewerber müssen zeigen, dass sie von ihren neuen Möglichkeiten auf bestreitbaren und fairen Digitalmärkten auch Gebrauch machen. Wie effektiv und reibungslos der DMA umgesetzt wird, ist daher von enormer Bedeutung. Einfach wird dieses Unterfangen nicht, das zeigt schon der Blick auf den Gesetzestext, der ohne Präambel und Anhang 118 Seiten juristisches Neuland umfasst. Das beginnt beim Anwendungsbereich des DMA und den Userzahlen einer Plattform, die Voraussetzung für die Gatekeeper-Stellung sind, sowie der Abgrenzung der einzelnen Core Platform Services. Aber auch die Auslegung der einzelnen “Dos und Don’ts”, die ja eigentlich direkt anwendbar und selbstausführend sein sollen, wird nicht einfach. Hier drohen juristische Auseinandersetzungen. Bei der Kommission, die für die Durchsetzung des DMA zentral zuständig ist, wird die wirksame Umsetzung eine Organisations- und Ressourcenfrage werden. Binnenmarkt-Kommissar Breton hat der Kommission, wo sich wohl die Generaldirektionen Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (CNECT) sowie Wettbewerb (COMP) um die Umsetzung des DMA kümmern werden (diskutiert wird aber anscheinend auch die Schaffung einer neuen Generaldirektion, die für den DMA und das Schwestergesetz Digital Services Act (DSA) zuständig wäre), 150 zusätzliche Stellen in Aussicht gestellt und angekündigt, das Recruitment hochzufahren – selbst wenn diese Versprechen umgesetzt werden, bleibt es bei der Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit eine funktionsfähige Struktur für die umfassende Regulierung einiger der größten und dynamischsten Unternehmen der Welt zu schaffen und umzusetzen. Dass der Kommission hier eine Herkulesaufgabe droht, hat auch der EU-Gesetzgeber erkannt. In den letzten Verhandlungsrunden wurde der DMA deshalb gezielt in zwei Bereichen ergänzt: Compliance durch die Gatekeeper und Einbindung dritter Parteien bei der Überwachung und Durchsetzung des DMA, einschließlich Private Enforcement. Für die Gatekeeper bedeutet dies u. a. neue Reportingpflichten gegenüber der Kommission und die Verpflichtung zur Schaffung einer Compliance-Funktion, die in letzter Minute in das Gesetz aufgenommen wurde. Diese Funktion hat es in sich: Nicht nur muss der/die Compliance-Verantwortliche unabhängig sein und über ausreichende Qualifikationen und Kompetenzen sowie Zugang zum Management verfügen, zu ihren/seinen Pflichten gehört auch die Kooperation mit der Kommission – das klingt sehr nach der Rolle eines Monitoring Trustees. Für Drittparteien wurden etliche Regelungen im DMA ergänzt, um die Durchführung des DMA transparenter zu machen, z. B. durch die Veröffentlichung nicht-vertraulicher Fassungen der erwähnten Gatekeeper-Berichte, und sie in Verfahren einzubeziehen, z. B. durch Markttests. Dritte können außerdem sowohl die Kommission als auch die nationalen Behörden über Verhalten der Gatekeeper informieren. Spannend wird, welche Rolle das Private Enforcement bei der Durchsetzung des DMA spielen wird. Dass der DMA Regelungen für die Kooperation der Kommission mit nationalen Gerichten vorsieht und den Anwendungsbereich für Verbandsklagen eröffnet, spricht dafür, dass die EU auch auf dieses Pferd setzt.

Dr. Björn
Herbers
, M.B.L., ist Rechtsanwalt und Partner bei CMS in Brüssel und seit vielen Jahren im Kartellrecht spezialisiert. Ein Schwerpunkt seiner Praxis ist das Kartellrecht in der digitalen Wirtschaft.

Herbers, BB 2022, Heft 32, Umschlagteil, I