Faire Wettbewerbsbedingungen bei Drittstaatssubventionen? – Kommission legt FSR-Verordnungsentwurf vor

Faire Wettbewerbsbedingungen bei Drittstaatssubventionen? – Kommission legt FSR-Verordnungsentwurf vor

Abbildung 1

Der neue FSR-Verordnungsentwurf schließt eine echte Lücke, bringt aber neue Komplexität.

Am 5. Mai 2021 hat die EU-Kommission den mit Spannung erwarteten, sehr weitreichenden und mehrere Rechtsbereiche umspannenden Verordnungsentwurf zu Drittstaatssubventionen (Foreign Subsidies Regulation, kurz: FSR) vorgelegt, dem ein am 17. Juni 2020 vorgelegtes Weißbuch vorangegangen war (s. dazu Kredel, BB 28–29/2020, “Die Erste Seite”; Trapp, EuZW 2020, 964; Stöbener de Mora, EuZW 2020, 588). Mit dem Verordnungsentwurf soll eine “regulatorische Lücke” geschlossen werden, die durch drittstaatliche Subventionen entsteht, wenn der “Enemy at (or in) the gate” (i) Beteiligungen an EU-Unternehmen erwirbt oder (ii) sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligt. Das ist ein Novum, sowohl was die Inhalte als auch den Frontalangriff, u. a. gegen China angeht. Denn China ist laut Impact Assessment Report der EU-Kommission das Drittland mit den meisten Subventionen. Gegenläufige protektionistische Maßnahmen wären keine Überraschung, denn auch die in kurzen Abständen erfolgenden Novellen des Außenwirtschaftsrechts, zuletzt mit der Anfang Mai in Kraft getretenen 17. AWV-Novelle (s. hierzu Lippert, BB 2021, 1289 ff. [in diesem Heft]), zielen z. T. in eine ähnliche Richtung.

Gemeint sind mit Drittstaatssubventionen alle Arten von wettbewerbsverzerrenden Zahlungen aus Drittstaaten, wie Exportbeihilfen, Zuschüsse, günstige Darlehen, Schuldenerlasse, Steuerbeihilfen etc., die dazu führen, dass Drittstaatsunternehmen sich den Vorteil aus der Drittstaatssubvention zunutze machen können, so dass ein Wettbewerbsungleichgewicht entsteht.

Die FSR-Verordnung würde, sollte die Umsetzung wie im Entwurf vorgesehen erfolgen, neben das Kartell-, Beihilfen-, Außenwirtschafts- und Vergaberecht treten. Sie betrifft alle Sektoren, wobei als Beispiele Halbleiter, Stahl und Aluminium genannt werden. Es ergibt sich eine deutlich gesteigerte Komplexität u. a. für die M&A-Praxis, da noch mehr Zeitpläne auf- und untereinander abzustimmen wären.

Die Lücke wird damit begründet, dass das EU-Beihilfenrecht derzeit nur Fälle erfasst, in denen die Beihilfe von einem EU-Mitgliedstaat gewährt worden ist, nicht aber, in dem die Wettbewerbsverzerrung dadurch entsteht, dass ein Drittstaat eine finanzielle Zuwendung leistet. Auch der kartellrechtliche Regelungsrahmen greift nicht. Zwar ermöglicht die Fusionskontrolle bei Erfüllung der Aufgreifschwelle eine präventive Kontrolle des geplanten Zusammenschlusses. Nicht (direkt) erfassbar ist indes, ob ein Erwerb überhaupt erst durch die Subvention ermöglicht worden ist. Diese Überlegungen spielen allenfalls mittelbar eine Rolle. So musste das Bundeskartellamt beispielsweise trotz erklärten Unbehagens den Erwerb von Vossloh durch das chinesische Unternehmen CRRC (Az. B4 115/19) mangels wettbewerblicher Bedenken freigeben. Das Unbehagen rührte u. a. aus der 51 %-Beteiligung des chinesischen Staates über die staatliche Beteiligungsverwaltung SASAC. Das Bundeskartellamt stellte dazu fest, dass die Verhaltensspielräume im Hinblick auf die Verbundvorteile und mögliche Niedrigpreisstrategien bei Staatsunternehmen aus “zentral geplanten Volkswirtschaften” andere seien, als bei Privatunternehmen.

Der Entwurf sieht im Wesentlichen drei Bausteine vor: 1. eine (der EU-Fusionskontrolle nachgebildete) Anmeldepflicht bei bestimmten Erwerbsvorgängen ggü. der EU-Kommission; 2. eine Anmeldepflicht bei öffentlichen Ausschreibungen ggü. der ausschreibenden Stelle und 3. ein ex-officio Tool, das unabhängig von den ersten beiden Fällen Eingriffsmöglichkeiten bietet, wenn der Verdacht einer Wettbewerbsverzerrung besteht. Anlassfälle sind z. B. Greenfield Investments.

Eingriffsvoraussetzung ist zunächst, dass eine Drittstaatssubvention vorliegt. Wann dies der Fall ist, beantwortet Art. 2 FSR-VO-E. Der Katalog ist weit gefasst. Auch die Voraussetzung, dass die Zuwendung sich auf das Unternehmen, die Branche oder mehrere Unternehmen bzw. Industrien beziehen muss, zeigt, dass an dieser Stelle nicht viel gefiltert werden soll. Wenn “foreign subsidies” vorliegen, wird sodann materiell geprüft, ob es zu einer Verzerrung des Wettbewerbs in der EU kommt (Art. 3 FSR-VO-E). Eine Rolle bei der Bewertung spielen u. a. die Höhe, Natur der Zuwendung und die Marktsituation. Dabei gibt es eine Art “de-minimis”-Schwelle von fünf Mio. Euro; unterhalb dieses Betrages ist eine Verzerrung unwahrscheinlich (Art. 3 Abs. 2 FSR-VO-E).

Erfasst wird bei der Anmeldepflicht der Erwerb von (gemeinsamer oder alleiniger) Kontrolle bzw. die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen (GU), wenn das Target einen EU-Umsatz von mind. 500 Mio. Euro erzielt und in den letzten drei Jahren eine Subvention von mindestens 50 Mio. Euro durch Drittstaaten erfolgt ist. Der VO-E sieht vor, dass die VO drei Jahre rückwirkend gilt, um ab Geltung auch direkt drei Jahre rückwärts betrachten zu können. D. h. dass bei Drittstaatssubventionen schon heute mitbedacht werden sollte, dass es eine FSR-VO geben könnte. Gleiche Schwellen gelten auch beim GU. Die Anmeldung muss – wie in der Fusionskontrolle – vor Vollzug erfolgen. Es besteht ein Vollzugsverbot (Art. 23 FSR-VO-E). Bei Nichtbeachtung (Gun-Jumping) kann ein Bußgeld verhängt werden.

Die vollständige Anmeldung löst eine Phase-1-Frist von 25 Arbeitstagen aus. Sollte eine vertiefte Phase-2-Prüfung notwendig sein, gilt eine Frist von 90 Tagen. Das kennt man aus der EU-FKVO.

Spannend ist, dass die FSR-Verordnung auch eine Befreiungsmöglichkeit von der Anmeldepflicht vorsieht, wenn es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt. Der Befreiungsantrag kann bereits vor der eigentlichen Anmeldung gestellt werden.

Bei öffentlichen Ausschreibungen liegt die Schwelle bei 250 Mio. Euro. Einbezogen werden ebenfalls Subventionen in den letzten drei Jahren. Selbst wenn die Schwelle von 250 Mio. Euro nicht erreicht wird, kann die EU-Kommission die Anmeldung vor Zuschlag an den Bieter verlangen. Letztere Regelung schafft Rechtsunsicherheit. Klar ist: Die EU-Kommission will den Zugriff auf solche Fälle erhalten. Diesen Geist atmet der gesamte Verordnungsvorschlag, sichtbar nicht zuletzt an der personellen Ausstattung mit 145 Vollzeitstellen.

Dr. Lars Maritzen, LL.B. MLE, RA, ist Salary Partner bei Orth Kluth Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB und leitet die Praxisgruppe Wettbewerbsrecht.

Maritzen, BB 2021, Heft 22, Umschlagteil, I