Die Einigung der Koalition auf ein zweites Führungspositionengesetz, der Referentenentwurf liegt seit Dezember 2020 vor, ist ein Paradigmenwechsel. Die Vorstellung, die Politik dürfe Unternehmen zu Personalentscheidungen auf der Vorstandsebene keine Vorgaben machen, wird endlich durchbrochen. Mit einer Mindestanzahl von Frauen in Vorständen von Unternehmen ab einer bestimmten Größe geht der Entwurf neue Wege. …

Endlich ein Quötchen! Das zweite Führungspositionengesetz kommt

Endlich ein Quötchen! Das zweite Führungspositionengesetz kommt

Abbildung 1

Die Einigung der Koalition auf ein zweites Führungspositionengesetz, der Referentenentwurf liegt seit Dezember 2020 vor, ist ein Paradigmenwechsel. Die Vorstellung, die Politik dürfe Unternehmen zu Personalentscheidungen auf der Vorstandsebene keine Vorgaben machen, wird endlich durchbrochen. Mit einer Mindestanzahl von Frauen in Vorständen von Unternehmen ab einer bestimmten Größe geht der Entwurf neue Wege. Zu Recht!

Männerdominanz ist ein Innovationshemmnis. Die Situation im Top-Management deutscher Spitzenunternehmen passt nicht zum Bild des modernen Wirtschaftsstandorts Deutschland. Macht wird nicht freiwillig geteilt, freiwillige Maßnahmen wurden kaum ergriffen. Deutschland ist das einzige Land in einem aktuellen Vergleich der AllBright Stiftung, in dem kein einziger der 30 größten Konzerne einen Frauenanteil im Vorstand von 30 Prozent erreicht und es ist das einzige Land, in dem keines dieser Unternehmen von einer Frau geführt wird. Haben 97 Prozent der amerikanischen und 87 Prozent der französischen Großunternehmen mehrere Frauen im Vorstand, ist das in Deutschland nur noch bei 4 DAX-Unternehmen der Fall. Während der Corona-Krise haben sich deutsche Konzerne sogar häufiger als in den Vorjahren von ihren Vorständinnen wieder verabschiedet; so ist der Frauenanteil bei den 30 DAX-Unternehmen in einer Rückwärtsbewegung im Jahr 2020 auf den Stand von 2017 gefallen.

Auch die Evaluation des ersten Führungspositionengesetzes hat ernüchternde Ergebnisse erbracht. So konnte der Frauenanteil in Aufsichtsräten mithilfe der festen Quote auf 35 Prozent gesteigert werden. Die freiwillige Zielgrößenverpflichtung für die Vorstände hat allerdings versagt. Besonders bemerkenswert ist es, dass sich rund 80 Prozent der unter das bisherige Gesetz fallenden Unternehmen für den Vorstand gar keine Zielgröße oder die Zielgröße Null gesetzt haben. Die Zielgröße Null war ein Schrei nach verbindlicher Regulierung, der nun auch eine Einigung in der großen Koalition ermöglicht hat, wo gesetzliche Quoten einen eher schweren Stand hatten.

Dabei werden diverse Teams verschiedener Studien zufolge als leistungsfähiger wahrgenommen. Dies ergab u. a. eine Befragung von mehr als 5 000 Beschäftigten des Handelsblatts in Kooperation mit Stepstone im Mai 2020 (Handelsblatt online vom 20.7.2020, Gerade in Krisen profitieren Unternehmen von Vielfalt). Auch SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast äußerte sich positiv zum Gesetzesvorstoß: “Unternehmen mit diversen Teams sind erfolgreicher als andere – das belegen zahlreiche Studien. [. . .] Es sind also mitnichten Belastungen, die wir beschlossen haben, sondern echte Wirtschaftsförderung.” (Tageschau online vom 23.11.2020, Streit über Frauenquote)

Die verbindliche Mindestquote ist jedoch eher ein Quötchen. Sie legt – wie der Name sagt – einen Mindestanteil fest und betrifft zunächst nur einige wenige – viel zu wenige – Unternehmen. Besteht der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens aus mehr als drei Mitgliedern, so muss er künftig mit mindestens einer Frau (und mindestens einem Mann, die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diese Anforderung kann man als fragwürdig bezeichnen) besetzt sein, wenn er mehr als drei Mitglieder hat. So wird zumindest eine Signalwirkung erreicht.

Und noch etwas ist wichtig: Die Nachfolge einer aus dem Vorstand ausscheidenden Frau dürfte mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit als bisher wieder eine Frau sein. Betrachtet man die Geschichte jener wenigen Frauen, die es in Deutschland bisher in Vorstände geschafft haben, so ist ihr freiwerdender Platz mit einer Ausnahme immer von Männern besetzt worden. Das Herausmobben von Frauen, das Nichtakzeptieren ihres Andersseins mit dem Ziel der Wiederherstellung einer als angenehmer empfundenen Monokultur wird so deutlich weniger attraktiv, wenn danach ohnehin die nächste Frau akzeptiert werden muss.

Natürlich sprechen auch Argumente gegen die neue Regelung. Die Zahl der Unternehmen, die die Verpflichtung umsetzen müssen, hält sich stark in Grenzen, die Mindestquote bewirkt, dass der Frauenanteil die nötige kritische Masse für echte Durchsetzungschancen nicht erreicht und die Unternehmen können nach Herzenslust relativ einflusslose Vorstandsressorts für die neuen Kolleginnen ersinnen. Diese und weitere Probleme werden in zukünftigen Führungspositionen auf der Basis der Evaluation der Erfahrungen der nächsten Jahre anzugehen sein. Dennoch ist die Neuregelung ein Schritt in die richtige Richtung – wenn auch nur ein kleiner.

Die Kritik gegen das Gesetz, geäußert sogar von Unternehmen im Eigentum des Bundes wie der Deutschen Bahn AG, konnte die Einigung letztlich nicht verhindern. Und das ist gut so. Der Gesetzgeber ist durch Art. 3 Abs. 2 GG dazu verpflichtet, für tatsächliche Gleichstellung zu sorgen. Quoten sind hierfür ein rechtmäßiges Mittel, weil sie helfen, strukturelle Diskriminierung zu überwinden. Dass sie im Jahr 2021 nötig sind, hat sich die Wirtschaft selbst zuzuschreiben. Allerdings beginnt Gleichstellung nicht erst in den Vorständen. Für die Zukunft wird es noch stärker darauf ankommen, alle Talente zu fördern und Karriereleitern nicht nach Geschlecht, sondern nach Eignung und Befähigung aufzustellen.

Prof. Dr. Maria Wersig, lehrt und forscht an der Hochschule Hannover. Seit 2017 ist sie Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e. V. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Sozialrecht, Familienrecht und Antidiskriminierungsrecht.

Wersig, BB 2021, Heft 01, Umschlagteil, I