Der Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen wird Wirklichkeit
Wer erinnert sich nicht an den Ankauf von CDs mit Kundendaten, mit dem die Bekämpfung der Steuerhinterziehung in eine neue Dimension eintrat, die nicht unumstritten war. Das Ministerium vom damaligen Finanzminister Nordrhein-Westfalens Norbert Walter-Borjans kaufte elf CDs mit brisanten Schweizer Bankdaten. Auf diese Weise erfuhr die Finanzverwaltung die Namen von Deutschen mit geheimen Bankkonten in der Schweiz. “Landesweit hat der Staat sieben Milliarden Euro an unversteuerten Geldern dank des Drucks zurückerhalten, den wir mit den Steuerdaten-CDs erzeugen konnten”, sagte Norbert Walter-Borjans in einem Gespräch mit der Luzerner Zeitung. Diese Ankäufe waren nicht unumstritten. Sogar von Hehlerei war die Rede. Aber schließlich fanden weder die Fachgerichte noch das Bundesverfassungsgericht, mit Beschluss vom 9.11.2010, dass die strafrechtliche Verwertung der angekauften Daten zulässig sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah eine Wohnungsdurchsuchung, die auf die Daten einer CD gestützt war, als rechtmäßig an. Der damalige Finanzminister von NRW Norbert Walter-Borjans kommentierte es so: “Nach dieser Entscheidung kann keiner mehr mit Menschenrechten argumentieren, um die Allgemeinheit unbehelligt weiter betrügen zu können”. Versuchte es die Politik zunächst über die EU-Zinsrichtlinie und bilaterale politische Maßnahmen, so musste am Ende im Grunde die Brechstange herhalten, um etwas zu bewegen.
So trat der Kampf gegen Steuerhinterziehung in den Schwerpunkt der Politik von Europäischer Union und anderen Industrie- und Schwellenländern. Die Bundesrepublik Deutschland und fünfzig weitere Staaten unterzeichneten am 29.10.2014 eine Vereinbarung über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten. Ziel ist über den Datenaustausch zwischen den Finanzverwaltungen der beteiligten Länder die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung wirksamer zu bekämpfen. Dies soll über die Zusammenarbeit, insbesondere den Ausbau des automatischen Informationsaustausches über Finanzkonten als wirksames Instrument der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Steuerangelegenheiten, erreicht werden. Die Vereinbarung sieht die Verpflichtung für die beteiligten Staaten vor, dass die erforderlichen Informationen über Finanzkonten nicht nur regelmäßig erhoben, sondern auch an den anderen Vertragsstaat gemeldet werden. Zu diesem Zweck müssen Finanzinstitute einmal im Jahr bestimmte Daten von Konten liefern, damit die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung nachkommen kann.
Die Bundesregierung sieht dieses Instrument als unerlässlich an, die Steuerverwaltung in die Lage zu versetzen, internationale Investments einer korrekten Besteuerung zuzuführen. Es soll verhindert werden, dass sich derartige Investments wegen fehlender steuerlicher Transparenzvorschriften der Besteuerung entziehen.
Zu diesem Zweck müssen die Banken die folgenden Informationen liefern: Zinsen, Dividenden, Einnahmen aus bestimmten Versicherungsverträgen, Guthaben auf Konten, Erlöse aus der Veräußerung von Finanzvermögen, persönliche Informationen wie Namen, Anschrift, Ansässigkeitsstaat, Steueridentifikationsnummer, Geburtsdatum und Geburtsort bei natürlichen Personen. Die praktische Konsequenz ist, dass für ausländische Kunden z. B. das steuerliche Bankgeheimnis der Schweiz nicht mehr gilt.
Zum 30.9.2021 werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und den zuständigen Behörden der jeweils anderen Staaten i. S. d. § 1 Abs. 1 FKAustG automatisch ausgetauscht. Die Finanzinstitute haben nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz auf elektronischem Wege zum 31.7.2021 die meldepflichtigen Konten an das BZSt zu übermitteln.
Die Staaten, mit denen der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zu erfolgen hat, sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Drittstaaten, die mit der Bundesrepublik Deutschland die Vereinbarung über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten abgeschlossen und in nationales Recht verpflichtend aufgenommen haben, Drittstaaten, die Verträge über den Austausch von Informationen über Finanzkonten mit der Europäischen Union geschlossen haben und Drittstaaten, die mit der Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch abgeschlossen haben.
Die vorläufige Staatenaustauschliste 2021 enthält 109 Staaten. In diese sind sämtliche Staaten aufgenommen worden, die sich zum Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen international erklärt haben. Damit ist allerdings die Frage noch nicht beantwortet, ob diese auch sämtliche rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten erfüllt haben. Erst nach Prüfung dieser Voraussetzungen werden die Staaten auf die finale FKAustG-Staatenaustauschliste 2021 übernommen. Bleibt zu hoffen, dass viele der 109 Staaten diese rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen umsetzen!
Prof. Dr. iur. Michael Stahlschmidt lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Schriftleiter Der Steuerberater.
Stahlschmidt, BB 2021, Heft 12, Umschlagteil, I