Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Unternehmensberatung – Veränderungsmanagement erforderlich

Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Unternehmensberatung – Veränderungsmanagement erforderlich

Abbildung 1

 

Der Siegeszug von KI bedeutet nicht die Eliminierung des Faktors Mensch – Beratung war, ist und bleibt ein People Business.

Es ist ein aktueller Fall aus Süddeutschland: Die Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens, begeistert von Künstlicher Intelligenz (KI), hatte den Halbjahresbericht an ChatGPT delegieren wollen. Doch aus der Idee wurde nichts. Weder kannte die Maschine die aktuelle Lage des Unternehmens, noch entwickelte sie relevante Botschaften für die Kunden. Selbst als Formulierungsassistent taugte sie nur begrenzt, weil die Mitarbeitenden mit dem Schreiben der sog. Prompts – in der IT-Welt die Aufforderung an den Benutzenden, eine Eingabe zu erledigen – keine Erfahrung hatten.

Zu hohe Erwartungen, zu wenig Knowhow, schlechte Vorbereitung – kommt uns das bekannt vor? Künstliche Intelligenz ist ein klassisches Change-Thema, ausgelöst durch einen Innovationssprung. Ich glaube, die Folgen werden gewaltig sein und alle wesentlichen Unternehmensbereiche betreffen, ähnlich wie einst bei der Elektronischen Datenverarbeitung oder dem Internet. Die Hoffnungen im Management sind zu Beginn ebenso groß wie die Ängste vieler Mitarbeitenden. Was beide oft falsch einschätzen, ist das Tempo. Ich halte es hier mit dem großen Innovator Bill Gates: “Wir überschätzen immer die Veränderung, die in den nächsten zwei Jahren eintreten wird, und unterschätzen die Veränderung der nächsten zehn Jahre.”

Für Unternehmensberater liegt in der neuen Technologie enormes Potenzial – und das gilt sowohl für die Beratung als auch für die eigene Geschäftsorganisation.

Dabei ist die Arbeit mit KI an sich nichts Neues, auch für Berater nicht. Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Technologie ist durch die sog. Großen Sprachmodelle wie ChatGPT oder Bard enorm gewachsen. Doch über den Nutzen neuronaler Netze diskutierten wir schon in den 1990er Jahren. Leistungsstarke Rechner, die Verfügbarkeit großer Datenmengen und Investitionen globaler Konzerne haben die Technologie nach und nach für immer mehr Einsatzbereiche attraktiv werden lassen. Algorithmen unterstützen heute die proaktive Wartung von Maschinen, entlasten Kundenbetreuer bei Routineanfragen und ermöglichen es, bei der Umsatzanalyse eine Flut von Daten heranzuziehen, von Werbeanzeigen bis zur Wettervorhersage.

Die wahre Herausforderung liegt dabei oft weniger in der Technik selbst als vielmehr in der Prozessumstellung: Wie bei jedem Veränderungsprojekt gibt es auch beim Einsatz von KI Gewinner und Verlierer. Werden Mitarbeitende darauf nicht ausreichend vorbereitet, kann ein Projekt schon an der Qualität der ausgewählten Daten scheitern. Die Aufgabe für das Management besteht darin, die Veränderung gut zu planen, ausreichend Ressourcen bereitzustellen und die Chancen so zu kommunizieren, dass aus Betroffenen Beteiligte werden. Dies zu unterstützen, gehört für Unternehmensberater zum Kerngeschäft. Damit die Suche nach sinnvollen Anwendungen gelingt, sollten Berater auch technisch zu den Pionieren gehören. Die Branche ist hier auf einem guten Weg: In der BDU-Geschäftsklimabefragung vom Juni 2023 (BDU, PM vom 6.7.2023, abrufbar unter https://www.bdu.de/news/bdu-geschaeftsklimabefragung-juni-2023-ki-fuer-consulting-branche-nicht-nur-zukunft-sondern-bereits-gegenwart/, Abruf: 10.7.2023) geben sich nur 28 % der Befragten abwartend und wollen die Entwicklung zunächst beobachten. Dagegen entwickeln fast drei Viertel der Beratungen eigenes Know-how oder kooperieren mit Spezialisten. Bei großen Firmen liegt der Prozentsatz noch höher.

Nicht nur bei Kunden, auch in vielen Beratungen wird KI die Effizienz steigern können. Ihr Einsatz wirft zugleich neue Fragen auf, etwa für die Ausbildung des Nachwuchses. Aufgaben wie Quellenrecherche, der Entwurf einer PowerPoint-Präsentation oder die Zusammenstellung von Material für ein Brainstorming werden bislang nicht selten von Nachwuchskräften unterstützt. So wenig erfüllend derlei Tätigkeiten zuweilen sein mögen, so sehr tragen sie zu einem tieferen Verständnis der Materie und zum Aufbau von Erfahrung bei. Ich meine, wenn künftig ChatGPT & Co. einen Großteil davon übernimmt, sind neue Wege nötig, um Einsteigende an verantwortungsvolle Aufgaben heranzuführen.

Und noch etwas steht auf der Agenda, wie bei allen Veränderungsthemen: Die Qualifikation der Mitarbeitenden ist für mich der entscheidende Erfolgsfaktor beim internen Einsatz von KI. Sie gilt es aktiv zu fördern. Kompetenz fällt nicht vom Himmel, sie kommt durch Training und Weiterbildung. Und durch die Anwerbung neuer Kolleginnen und Kollegen.

Macht KI eines Tages menschliche Berater sogar überflüssig? Solche Szenarien halte ich für nicht zutreffend. Bei standardisierten Teilaufgaben oder auch Assistenz- und Zuarbeiten mag die Entwicklung dahingehen, dass KI menschliche Leistungen nicht nur ergänzt, sondern sogar ersetzt. Das gilt jedoch nicht für komplexe Projekte, die Kreativität, Empathie und Neugier auf das Unbekannte voraussetzen. Die Maschine operiert mit Wahrscheinlichkeiten, während wir im Unternehmensalltag immer auf das Unwahrscheinliche gefasst sein müssen. Sofern der passende Anwendungsfall also gefunden ist, hilft KI, Entscheidungen zu treffen und zu validieren. Ja, sie unterstützt. Doch bei allem Nutzen kann die menschliche Beziehungsebene nicht substituiert werden. Vertrauen in Menschen ist nach wie vor elementar für ein erfolgreiches Beratungsmandat.


Ralf Strehlau
ist seit 2017 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberatungen (BDU). Vor zwanzig Jahren gründete er nach langjähriger Tätigkeit für Consultingunternehmen die ANXO Management Consulting GmbH mit Sitz in Frankfurt a. M. Als deren Geschäftsführender Gesellschafter gehören zu seinen Beratungsschwerpunkten Unternehmensstrategien, Restrukturierungen, Change Management sowie Marketing und Digitalisierung.

 

Strehlau, BB 2023, I