Managementorientierte Insolvenzverwaltung als Voraussetzung einer modernen und erfolgreichen Verwaltung
Der moderne Insolvenzverwalter: Stratege, Organisator, Unternehmensführer und Controller in einer Person.
Ein Insolvenzverwalter muss bei seiner Tätigkeit viele Rollen einnehmen. Und da er regelmäßig unter hohem Zeitdruck arbeiten muss, sollte er die Antwort auf die Frage “Wer bin ich und wenn ja wie viele?” schnell parat haben. Fakt ist: Ein Insolvenzverwalter muss Stratege, Organisator, Unternehmensführer und Controller in einer Person sein. Zusätzlich zur insolvenzrechtlichen Spezialisierung und dem notwendigen betriebswirtschaftlichen Fachwissen sind aber auch umfangreiche Spezialkenntnisse gefragt, um Lösungen für die Unternehmen zu erarbeiten, um deren Existenz es geht. Der Management-orientierte Ansatz eines modernen Insolvenzverwalters bedingt, dass das eigene Team und er eine funktionierende Einheit bilden.
Ein Insolvenzverwalter benötigt aber nicht nur juristische, sondern vor allem auch betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse. Er muss Strukturen schnell durchdenken, sie auch anhand der gegebenen Umstände verändern und auf die Zukunft ausrichten können. Dafür sind ein funktionierendes Team und eine motivierte Mitarbeiterschaft unerlässlich – die auch der Belegschaft und dem Management des insolventen Unternehmens vermitteln, dass eine Insolvenz nicht zwingend das Ende eines Unternehmens ist, sondern die Chance auf einen Neustart darstellen kann.
Gleichzeitig gilt: Wer als Insolvenzverwalter Kultur und Werte eines Unternehmens prüft und bei Bedarf neu definiert, sollte im eigenen Team eine Unternehmenskultur gebildet haben und diese auch leben. Denn nur wenn klar ist, in welche Richtung alle gemeinsam gehen sollen, sind die Weichen für einen Management-orientierten Sanierungsansatz richtig gestellt.
Unabdingbar dafür ist zunächst eine offene Kommunikation im eigenen Team. Jeder Arbeitsbereich hat eigene Ziele, die aufeinander abgestimmt und transparent kommuniziert werden sollten. Eine stabile interne Kommunikation und ein offener Austausch über alle Bereiche helfen. Doch um eine Kommunikationsverdünnung zu vermeiden, ist außerdem eine genaue Festlegung der Kompetenzen einzelner Mitarbeiter hilfreich. So kann eine Hierarchie geschaffen werden, die das Delegieren bereichspezifischer Themen ermöglicht.
Wichtig ist die Deutungshoheit – in einer Sanierung, aber auch im eigenen Team: Genaue Arbeitsanweisungen legen Kompetenzen fest. Aber auch der “kurze Dienstweg” sollte gelebt und gefördert werden, um hierarchiebedingte Unzulänglichkeiten und Sackgassen ausgleichen oder sogar zu vermeiden.
Fest steht, dass eine transparente Kommunikation für Effizienz und Vertrauen innerhalb des Teams des Insolvenzverwalters, aber auch in der Belegschaft und dem Management des insolventen Unternehmens sorgt. Eine wichtige Rolle spielt insofern auch eine effiziente und motivierende Führung. Voraussetzung dafür ist eine offene Feedbackkultur – nicht nur, aber eben gerade auch im Team des Insolvenzverwalters.
Jeder Mitarbeiter, dies betrifft natürlich auch den Insolvenzverwalter selbst, sollte kritikfähig sein. Positive Anreize können das Mitarbeitervertrauen und damit die Kritikfähigkeit erhöhen. Zu beachten ist, dass – wie in jedem Beruf – eine gute Bezahlung allein aber nicht ausreicht, um die Bedürfnisse des Teams zu befriedigen. Das Gesamtpaket und das Arbeitsumfeld müssen stimmig sein. Idealerweise übt ein Insolvenzverwalter seine Autorität nicht nur von Amts wegen aus, sondern weil er die nötige Fachkompetenz besitzt. Hinzu sollte ein entsprechendes Charisma als Führungsperson kommen. Bei gut ausgebildeten und erfahrenen Mitarbeitern ist dann ein kooperativer Führungsstil die beste Lösung: Das Team kann auf Augenhöhe im Sinne und zum Wohle der Mandanten agieren. Dabei bieten sich zwei Führungsprinzipien an:
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Management by Exception: Die Mitarbeiter arbeiten selbständig. Ziele, Sollwerte und Bewertungsmaßstäbe werden festgelegt, außerdem werden die Erfolgskriterien gewählt und die Kontrollinformationen bestimmt. Voraussetzung der zielgerichteten Führung sind Informations-, Kontroll- und Berichtsysteme, die den definierten Ausnahmefall signalisieren.
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Management by Objectives: Es werden Ziele innerhalb eines definierten Zeitraums für Arbeitsgruppen und Mitarbeiter gemeinsam festgelegt. Nach dem Ende der vereinbarten Laufzeit kommen Mitarbeiter und Führungskräfte erneut zusammen, besprechen die Ergebnisse und meist auch Ziele für die kommende Periode.
Das Geschäft muss mit der Zeit gehen – das gilt auch für die Insolvenzverwaltung. Die Zusammenarbeit mit den eigenen Mitarbeitern und denen der Unternehmen sollte vertrauensvoll ablaufen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dies funktioniert jedoch nur, wenn das Team des Insolvenzverwalters und er selbst dem kriselnden Unternehmen als Vorbild einer funktionierenden Einheit dient.
Wenn eine Gliederung in Arbeitsstellen und Abteilungen bereits erfolgt ist, ist der erste Schritt in Richtung einer modernen Insolvenzverwaltung getan. Transparente Kompetenzen, Offenheit und ein motiviertes Team mit klaren Zuständigkeiten sind essenzielle Faktoren für eine Insolvenzverwaltung, die – zusätzlich zur Unterstützung des kriselnden Unternehmens – auch eine Mentor-Funktion erfüllen kann.
Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH) Tobias Hartwig, MBA, leitet bei der auf Sanierung und nachhaltige Insolvenzverwaltung spezialisierten Kanzlei Schultze & Braun die Standorte Hannover und Braunschweig. Er wird regelmäßig von Gerichten in Niedersachsen, Brandenburg und Berlin als Insolvenzverwalter bestellt und hat mit seinem Team bereits zahlreiche Unternehmen unterschiedlicher Größe erfolgreich bei ihren Sanierungsverfahren begleitet. Außerdem ist Tobias Hartwig Lehrbeauftragter für Insolvenzrecht an der HR Nord Hochschule für Rechtspflege Hildesheim.
Hartwig, BB 2021, Heft 44, Umschlagteil, I