Vom Star zum Auswechselspieler – Umfassende Änderungen des Befristungsrechts geplant
Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ist gerade jetzt ein unverzichtbares Flexibilisierungsinstrument – Einschränkungen können sich schnell als Eigentor erweisen.
Der Wahlkampf zum nächsten Bundestag ist in vollem Gange, die laufende 19. Legislaturperiode nähert sich dem Ende, gleichwohl wurde von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am 14.4.2021 noch ein Referentenentwurf zur Änderung des Befristungsrechts vorgelegt, wobei die Regierungsparteien dies im Koalitionsvertrag von 2018 bereits vereinbart hatten. In den ersten Reaktionen sprechen arbeitgebernahe Kreise von “Verschärfungen”, von “zusätzlichen Fesseln oder von ‘massiven Einschränkungen’”, während Gewerkschaften eine Einschränkung des “Unwesens ‘der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen und Kettenbefristungen’” begrüßen. Wird die Befristung von Arbeitsverhältnissen als “Star der Flexibilisierungsinstrumente” während der Fußball-Europameisterschaft auf die Ersatzbank verbannt?
Der Gesetzesentwurf sieht zum einen Beschränkungen der sachgrundlosen Befristung vor. Diese soll zukünftig nur für maximal 18 statt bisher 24 Monate mit nur noch einer statt bisher drei möglichen Verlängerungen möglich sein (§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG-RefE). Dies ist ein signifikanter Einschnitt in die Planungsmöglichkeiten der Unternehmen, weil sich diese in Ermangelung von stabilen Prognosen in Post-Pandemie-Zeiten häufig nicht zutrauen, Mitarbeiter von Anfang an längerfristig einzustellen und deshalb jeweils kurze Befristungszeiten wählen werden. Arbeitgeber gehen anderenfalls bei einer längeren Befristung das Risiko ein, den Arbeitsvertrag durch eine vorbehaltene Kündigungsmöglichkeit vorzeitig zu beenden, was aber erheblichem administrativen Aufwand und rechtlichen Risiken verbunden wäre.
Als positiv ist anzusehen, dass die sogenannte “Zuvor-Beschäftigung”, die für lange Zeit heftig in der Rechtsprechung umstritten war, mit drei Jahren erstmals gesetzlich festgelegt wird. Nach Ablauf dieses Zeitraums kann ein Arbeitsvertrag mit einem Arbeitnehmer für den gleichen Arbeitgeber wieder sachgrundlos befristet werden.
Zum anderen soll eine Befristung dann nicht zulässig sein, wenn damit die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet. Anzurechnen sind auch Zeiten, in denen der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer dem Arbeitgeber überlassen war (§ 14 Abs. 1a TzBfG-RefE). Eine maximale Befristungsdauer kannte das Gesetz bisher nicht. In der Privatwirtschaft dürften in Zeiten des Fachkräftemangels Befristungen in dieser Größenordnungen in den letzten Jahren eher die Ausnahme gewesen sein, während die Aneinanderreihung von mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen im Öffentlichen Dienst immer wieder Gegenstand von Entscheidungen der Arbeitsgerichte war, in denen die Aneinanderreihung von vielen Befristungen mit Sachgrund eine Missbrauchskontrolle unterschiedlichen Ergebnissen unterzogen wurde.
Eine weitere maßgebliche Einschränkung für den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen sieht der Gesetzesentwurf dahingehend vor, als in dem schriftlich abzuschließenden Arbeitsvertrag nunmehr erstmalig der Grund für die Befristungsabrede, also ob sachgrundlos oder, im Falle der Sachgrundbefristung, der diesbezügliche Grund anzugeben ist (§ 14 Abs. 6 TzBfG-RefE). Dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages müsste somit in der Zukunft eine aufwändige juristische und tatsächliche Prüfung vorangehen, damit keine Fehler bei der Bezeichnung gemacht werden.
Von größter Bedeutung dürfte für die betriebliche Praxis sein, dass zukünftig Arbeitgeber mit mehr als 75 beschäftigten Arbeitnehmern erstmals noch mit 2,5 % ihrer Belegschaft Arbeitsverträge mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen dürfen. Mittelständische Unternehmen mit 200 Beschäftigten könnten somit lediglich fünf Arbeitnehmer auf diese Art flexibel beschäftigen, um nicht Gefahr zu laufen, dass bei Überschreiten dieser Quote jedes weitere derartig befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt (§ 14 Abs. 5 TzBfG-RefE). Im Ergebnis wird dies dazu führen, dass dieses in der Vergangenheit so beliebte und so erfolgreiche Flexibilisierungsinstrument praktisch keine Rolle mehr spielen wird.
Auch wenn sich die COVID-19-Pandemie in Deutschland immer mehr abschwächt, stehen die Auswirkungen auf einige Branchen der Wirtschaft aber teilweise noch bevor, insbesondere wenn die Überbrückung durch Kurzarbeit spätestens mit Ende dieses Jahres enden wird. Deswegen wird das Interesse an sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen gerade dann besonders groß sein, um flexibel agieren zu können. Insofern wäre es kontraproduktiv für eine Belebung des Arbeitsmarkes, wenn dieses liebgewonnene und einfach handhabbare Flexibilisierungsinstrument de facto wegfiele. Wäre es folglich nicht nahelegend, wenn Arbeitgeber wieder vermehrt auf alternative Flexibilisierungsmöglichkeiten ausweichen, wie die insbesondere in Gewerkschaftskreisen noch viel weniger geschätzte Leiharbeit, die Fremdvergabe oder die Verlagerung von Tätigkeiten ins Ausland? Wäre es überraschend, wenn Unternehmen diese Einschränkungen und den erheblich erhöhten bürokratischen Aufwand beim Abschluss und der Kontrolle von befristeten Arbeitsverhältnissen als Hemmnis bei der Bewältigung der Folgen der Coronakrise ansehen? Insofern werden diese die Ankündigungen der Bundesregierung begrüßt haben, dass dieses Gesetz in dieser Legislaturperiode jetzt doch nicht mehr verabschiedet werden soll. Gleichwohl bleibt insofern abzuwarten, welche Ideen die neue Bundesregierung zu dem in der Vergangenheit so wichtigen Flexibilisierungsinstrument der Befristung entwickeln wird. Vorübergehend bleibt der Star der Flexibilisierung im Feld und fristet (noch) kein Dasein als Auswechselspieler.
Markus Künzel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner bei BEITEN BURKHARDT, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.
Künzel, BB 2021, Heft 28, Umschlagteil, I