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BAG: Auflösungsantrag – Wahlbewerber

Das BAG hat mit Urteil vom 27.9.2022 – 2 AZR 92/22 – wie folgt entschieden:

1. Das Zustimmungserfordernis nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG gilt weder unmittelbar noch analog für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG (Rn. 26 f.).

2. § 15 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 KSchG ist auch keiner Analogie dahingehend zugänglich, dass Gründe für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG geeignet sein müssten, einen wichtigen Grund iSv. § 626 BGB zu bilden, sofern sie zur Zeit des Bestehens von Sonderkündigungsschutz entstanden sind und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG genießt. Ebenso wenig kommt eine entsprechende teleologische Reduktion von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG in Betracht (Rn. 33).

3. Bei der Entscheidung über einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist für die Frage, ob ein Verhalten aus der Zeit des Bestehens von Sonderkündigungsschutz allein oder zusammen mit weiteren Umständen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, zu prüfen, inwiefern die Gründe mit der Amtsausübung im Zusammenhang stehen und deshalb möglicherweise keinen oder nur einen bedingten Schluss auf die Erwartbarkeit einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis zulassen (Rn. 36).

4. Es bedarf der Prüfung im Einzelfall, ob und aus welchen Gründen die längere Zeit zurückliegenden Vorfälle selbst in der Zusammenschau mit den zusätzlich vom Arbeitgeber angeführten Tatsachen für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzustellende Prognose nicht mehr relevant sind (Rn. 14).

5. Mit einer Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber nicht auf das Recht, den abgemahnten Vorgang zumindest zusammen mit weiteren Tatsachen zur Begründung eines späteren Auflösungsantrags heranzuziehen. Ist die Abmahnung bereits wieder aus der Personalakte des Arbeitnehmers entfernt, ergibt sich auch daraus kein Verbot, das abgemahnte Verhalten als Tatsache in einen Rechtsstreit einzuführen (Rn. 16 f.).

(Orientierungssätze)