Der u. a. für das Kapitalmarktrecht zuständige II. Zivilsenat hat am 29.7.2021 – II ZR 152/20 – entschieden, dass Aktionären der Volkswagen AG gegen den Zulieferer der in Dieselfahrzeugen verbauten Software keine Schadensersatzansprüche wegen Beihilfe zu einer unterbliebenen oder unrichtigen Information des Kapitalmarkts zustehen.
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Ab dem Jahr 2008 produzierte die Volkswagen AG eine neue Baureihe von TDI-Dieselmotoren in Serie. In den damit ausgestatteten Fahrzeugen war eine Software verbaut, die erkannte, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. Die Beklagte lieferte der Volkswagen AG die Software. Durch eine entsprechende Programmierung der Software schaltete das Steuerungssystem auf dem Prüfstand in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen gegenüber dem Normalbetrieb geringeren Ausstoß an Stockoxiden bewirkte.
Die Kläger erwarben im Dezember 2013 Aktien der Volkswagen AG für 12.234,60 €. Am 3.9.2015 räumte die Volkswagen AG gegenüber US-amerikanischen Behörden ein, die entsprechend programmierte Software in ihren Dieselfahrzeugen verbaut zu haben. Am 21.9.2015 veräußerten die Kläger die Aktien für 8.474,40 €. Mit Ad-hoc-Meldungen vom 22. und 23.9.2015 informierte die Volkswagen AG den Kapitalmarkt erstmals über die Verwendung der Software.
Die Kläger begehren von der Volkswagen AG Ersatz des Unterschiedsbetrags zwischen ihren Erwerbsaufwendungen und dem Veräußerungserlös. Sie legen der Beklagten zur Last, durch die Softwarelieferung Beihilfe zur unterbliebenen bzw. nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts durch die Volkswagen AG geleistet und sie dadurch geschädigt zu haben.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Schadensersatzbegehren weiter.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte den Klägern nicht wegen der Lieferung der Software an die Volkswagen AG schadensersatzpflichtig ist.
Der BGH hat – wie schon das Berufungsgericht – offengelassen, ob die Volkswagen AG durch die nicht rechtzeitige Unterrichtung über die Verwendung der Motorsteuerungssoftware eine unerlaubte Handlung zum Nachteil ihrer Aktionäre begangen hat (§§ 31, 823 Abs. 2, § 826 BGB). In der Softwarelieferung durch die Beklagte liegt jedenfalls keine Beihilfe (§ 830 Abs. 2 BGB) dazu. Sie ist nach natürlichem Sprachgebrauch keine Erleichterung oder Förderung der der Volkswagen AG angelasteten Kapitalmarktdelikte, weil sie deren Pflicht zur Unterrichtung des Kapitalmarkts über ihre Verwendung überhaupt erst mitbegründet haben kann. Ein die Grenzen des Wortsinns auslotendes oder sogar überdehnendes Verständnis des Begriffs der Hilfeleistung ist auch nicht aus Gründen des Rechtsgüterschutzes geboten. Der Schutz der potentiellen Anleger und Aktionäre der Volkswagen AG vor der unrichtigen Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft wird nicht schon durch die Softwarelieferung, sondern erst durch eine pflichtwidrig nicht rechtzeitige Unterrichtung über ihre Verwendung zur Abgassteuerung der Dieselmotoren beeinträchtigt.
Der BGH hat daher die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen durch Zurückweisung der Revision bestätigt, die damit rechtskräftig sind.
(PM BGH Nr. 139/21 vom 20.7.2021)