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BAG: Urlaubsgeld – Gesamtzusage – Freiwilligkeitsvorbehalt – Mitbestimmung des Betriebsrats – billiges Ermessen

BAG, Urteil vom 21.2.2024 – 10 AZR 345/22; ECLI:DE:BAG:2024:210224.U.10AZR345.22.0

1. Ein Vorbehalt in einer Gesamtzusage, der aus einer Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt besteht, ist intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Ebenso unwirksam, weil unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, ist ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der so ausgelegt werden kann, dass er auch spätere Individualabreden über Leistungen des Arbeitgebers erfasst (Rn. 40 f.).

2. Führt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber einen neuen Vergütungsbestandteil ein, beeinflusst er die Verteilung der Gesamtvergütung und die Festlegung des Verhältnisses der Entgeltbestandteile zueinander. Damit löst er das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aus. Gleiches gilt, wenn er die Anspruchsvoraussetzungen eines bestehenden Vergütungsbestandteils (hier: Urlaubsgeld auf Grundlage einer Gesamtzusage) ändern will (Rn. 43 f.).

3. Ändert der Arbeitgeber die im Betrieb bestehenden Entlohnungsgrundsätze unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, können die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung eine Vergütung auf Grundlage der zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätze fordern (Rn. 45).

4. Die Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Ausnahmsweise kann das Revisionsgericht selbst entscheiden, wenn alle maßgeblichen Tatsachen feststehen (Rn. 59).

5. Ist für eine Leistung, die nach billigem Ermessen zu bestimmen ist, ein Fälligkeitszeitpunkt festgelegt, kann er auch dann maßgeblich sein, wenn die Leistung durch das Gericht iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt wird. In diesem Fall wird die Leistung nicht erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig (Rn. 69).

6. Die nach einer vertraglichen Ausschlussfristenregelung gebotene gerichtliche Geltendmachung erfolgt rechtzeitig, wenn die Klage innerhalb der Frist anhängig gemacht und alsbald iSv. § 167 ZPO zugestellt wird (Rn. 67).

(Orientierungssätze)

Hinweis des Senats:

Führende Entscheidung nach Hinzuverbindung der Verfahren – 10 AZR 346/22 – und – 10 AZR 347/22