EU-Kommission forciert digitale Werkzeuge

EU-Kommission forciert digitale Werkzeuge

Abbildung 1

Die EU-Kommission hat am 29.3.2023 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinien 2009/102/EG und (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den weiteren Ausbau und die Verbesserung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Prozesse im Gesellschaftsrecht (Pressemitteilung) veröffentlicht. Hintergrund ist die Tatsache, dass die von Stakeholdern benötigten Unternehmensinformationen weder in inländischen noch EU-weiten Registern ausreichend verfügbar sind. Fehlende Daten sind z. B. Daten zur zentralen Verwaltung, zu Vertretern, Hauptgeschäftssitzen und Unternehmensgruppen. Zudem sieht die Kommission die Standards für die Zuverlässigkeit von Unternehmensinformationen im EU-Gesellschaftsrecht als nicht spezifisch genug an, was zu einem unzureichenden Vertrauen in die zugänglichen Informationen führe. Schließlich seien wegen der administrativen Hindernisse für die direkte Nutzung von Unternehmensinformationen Ineffizienzen bei der Zusammenarbeit und Koordinierung der Unionsziele zu beobachten. Mit der Richtlinie soll das zentrale Ziel, ein stärker integrierter und digitalisierter Binnenmarkt mit mehr Transparenz und Vertrauen in das Geschäftsumfeld verfolgt werden. Die Zuverlässigkeit und der Umfang der in Registern wie dem Business Registers Interconnection System (BRIS) verfügbaren Daten soll erhöht werden. Um die Mission der Union zur Verwirklichung ihrer digitalen Ziele zu vereinheitlichen, soll die grenzüberschreitende Nutzung der registrierten Informationen möglich sein. Die digitale Konnektivität und Verwaltung von Unternehmen soll verbessert werden. Administrative Hürden sollen verringert werden, so dass alle Beteiligten direkten Zugang zu zuverlässigen Informationen über Unternehmen haben. Der Richtlinienvorschlag betont die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten für Transparenz und die Verfügbarkeit zuverlässiger Unternehmensdaten. Das “Once-Only”-Prinzip soll auf das Gesellschaftsrecht ausgeweitet werden, um Kosten und organisatorischen Aufwand zu reduzieren, d. h. Unternehmen sollen nicht mehr als einmal zur Übermittlung von Informationen an Behörden aufgefordert werden. Der Datenaustausch soll digital erfolgen. Zu den offenzulegenden Informationen gehören: der Ort der zentralen Verwaltung und des Unternehmens, “Handelspartner”, Tochtergesellschaften von Muttergesellschaften, gesetzliche Vertreter usw. Vorgeschlagen wird ferner ein harmonisiertes EU-Unternehmenszertifikat mit wesentlichen Unternehmensinformationen, das auch in grenzüberschreitenden Situationen verwendet werden kann. Zudem soll zur Vereinfachung EU-weiter Verfahren eine ausschließlich digitale EU-Vollmacht eingeführt werden.

Aus Sicht des DStV trägt die Einführung einer digitalen EU-Vollmacht dazu bei, grenzüberschreitende Verfahren für Gesellschaften zu erleichtern. Ferner ist die digitale Vollmacht besonders unter dem Gesichtspunkt des Bürokratieabbaus zu befürworten. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen stellt die Möglichkeit, eine Person zur Vertretung der Gesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu ermächtigen, eine wesentliche Verfahrenserleichterung dar. Die Identität, die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Person muss nach Art. 16c Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs bei Erstellung der digitalen EU-Vollmacht geprüft werden. Dies ist eine zwingende Notwendigkeit in der Praxis, um ein sicheres Verfahren und eine rechtmäßige Vertretung der entsprechenden Gesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu gewährleisten. Gleichzeitig merkt der DStV an, dass bei der Prüfung der Angaben im Rahmen der Identitätsprüfung auf den Schutz von personenbezogenen Daten und sichere Übertragungswege zu achten ist. Insoweit wäre ein derartiger Hinweis in Art. 16c Abs. 1 des Entwurfs oder in einem Erwägungsgrund notwendig. Sichergestellt werden müsse auch, dass auch Steuerberater im Namen ihrer Mandanten eine Vollmacht zur Vertretung einer Gesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erteilen dürfen. Zur Identitätsprüfung bei den Steuerberatern böte sich das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) an, da dieses alle Berufsangehörigen verpflichtend unterhalten müssen. Der digitale Austausch gegenüber Behörden und Gerichten wäre so über einen anerkannten und vertrauenswürdigen Kommunikationskanal garantiert, der sowohl den Schutz von personenbezogenen Daten als auch sichere Übertragungswege gewährleisten könne.

Die digitale EU-Vollmacht soll im Register der Gesellschaft eingetragen und Dritten mit berechtigtem Interesse zugänglich gemacht werden. Rechtsanwälte, Notare, Kredit- und Finanzinstitute sowie zuständige Behörden sind im Erwägungsgrund 25 als Dritte mit berechtigtem Interesse genannt. Der DStV mahnt aber eine genauere Definition in Art. 16c Abs. 4 des Entwurfs an, wer neben den in Art. 16 Richtlinie (EU) 2017/1132 genannten Registern Zugang zu der digitalen EU-Vollmacht bekommen sollte. Auch Steuerberater hätten ein berechtigtes Interesse daran, die digitale Vollmacht einzusehen. Für Angehörige des Berufsstands sei es im Rahmen einer qualifizierten Beratung notwendig zu wissen, welche Person zur Vertretung einer Gesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat berechtigt sei. Im nationalen Recht finde sich in § 32 Abs. 2 S. 1 StBerG die ausdrückliche Regelung, dass Steuerberater ein unabhängiges Organ der Rechtspflege seien. Dies sei die korrespondierende Regelung zu § 1 BRAO, dem Berufsrecht der Rechtsanwälte, nach dem diese eine besondere Stellung als Organ der Rechtspflege innehaben. Steuerberater stünden damit gleichrangig und gleichberechtigt neben den anderen Organen der Rechtspflege. Mal sehen, wie es mit dem Richtlinienvorschlag weiter geht.

Professor Dr. iur. Michael
Stahlschmidt
M.R.F LL.M. MBA LL.M, RA/FAStR/FAInsSanR/FAMedR/StB, Dipl.-Betriebswirt/FH lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der SteuerBerater Frankfurt am Main/Medebach.

Stahlschmidt, StB 2023, Heft 07-08, Umschlagteil, I