BAG: Nachlassinsolvenz – Rechtsnachfolge – Abtretung auf den Todesfall – Gesellschafter-Geschäftsführer – Altersversorgung –

Das BAG hat mit Urteil vom 2.12.2021 – 3 AZR 119/19 – wie folgt entschieden:

1. In der Nachlassinsolvenz besteht – wenn die Voraussetzungen des Massebezugs nach § 85 InsO iVm. § 240 ZPO vorliegen – keine prozessuale Aufnahmemöglichkeit mehr durch die Rechtsnachfolger des Verstorbenen nach § 239 ZPO. Zwar kann und muss nach § 239 Abs. 1, Abs. 2 ZPO der Rechtsnachfolger aufgrund Abtretung auf den Todesfall den Rechtsstreit aufnehmen. Allerdings wird nach dem Tod einer Partei die Unterbrechung der §§ 246, 239 ZPO durch die (zusätzliche) Unterbrechung nach § 240 ZPO aufgrund Insolvenzverfahrens über den Nachlass überlagert, wenn der Rechtsnachfolger den Rechtsstreit noch nicht aufgenommen hat – sog. Doppelunterbrechung (Rn. 22).

2. Wenn die Abtretung einer Forderung insolvenzrechtlich anfechtbar ist, ist ein hinreichender Massebezug gegeben. Die Insolvenzmasse hat eine rechtliche Stellung inne, die den Verwalter in die Lage versetzt, die Forderung zur Masse zu ziehen. Er hat nach Rückgewähr der Forderung das Recht, sie als Partei kraft Amtes für den Forderungsinhaber weiterzuverfolgen (Rn. 23).

3. Die Erben und nicht die Erbengemeinschaft sind die Schuldner in der Nachlassinsolvenz. Anfechtbare Rechtshandlungen des Erblassers verlieren durch den Erbfall nicht ihre Anfechtbarkeit. Die Abtretung durch den Verstorbenen als Erblasser auf den Todesfall ist grundsätzlich anfechtbar (Rn. 27).

4. Es besteht keine Bindung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. Regelmäßige Zahlungen an Gesellschafter- Geschäftsführer in bestimmter Höhe können als Einkünfte von „Arbeitnehmern“ iSd. Steuerrechts anzusehen sein. Eine Zahlungsklage ist dann auf einen Bruttobetrag zu richten (Rn. 36).

5. Verhält sich ein Vertragspartner treuwidrig, kann dies dazu führen, dass ihm die Ausübung eines ihm zustehenden Rechts zu versagen ist, wenn er sich dieses Recht gerade durch das treuwidrige Verhalten verschafft hat. Wenn sich ein solch zielgerichtes treuwidriges Verhalten nicht feststellen lässt, muss durch eine Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob und wieweit einem Beteiligten die Ausübung einer Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll (Rn. 39).

6. Danach kann es treuwidrig sein, wenn eine Gesellschaft geltend macht, der Gesellschafter-Geschäftsführer habe sich aus formalen Gründen unwirksam eine Altersversorgung und seiner Ehefrau eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt, wenn beide zum Zeitpunkt der Zusage die einzigen Gesellschafter waren, für die Zusage Rückstellungen gebildet wurden und der Gesellschafter-Geschäftsführer im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Zusage seine Arbeitsleistung erbracht hat (Rn. 45 ff.).

7. Der in Anspruch Genommene wird nach § 242 BGB gegenüber dem Vertrauenden so behandelt, als ob der Rechtsschein zuträfe, wenn die Berufung auf die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts entgegen dem Rechtsschein treuwidrig ist (Rn. 40).