Rückforderung von Corona-Hilfen? Vertrauensschutz trotz freiwilliger staatlicher Zuwendungen?
Es darf nicht zu Haftungsrisiken kommen, wenn Anträge infolge bestehender Unsicherheiten hinsichtlich der Vorgaben der jeweiligen Hilfsprogramme oder beihilferechtlicher Restriktionen falsch gestellt worden sind.
Steuerberater und Steuerberaterinnen sind mit Arbeit überhäuft und werden dies vor allem auch in den nächsten Monaten sein. Zeilen wie diese liest man dieser Tage häufig. Hierzu tragen nicht zuletzt ihre umfangreichen Tätigkeiten in Zusammenhang mit den Corona-Hilfen für Unternehmen bei: So gilt es, nebst den sonstigen Tätigkeiten, noch weiterhin für die Beantragung von Corona-Hilfen zu sorgen, vor allem aber in der ersten Hälfte des kommenden Jahres die Schlussabrechnungen für Corona-Hilfen vorzunehmen. Zu den in diesem Zusammenhang besonders Arbeitsbelasteten zählen darüber hinaus aber auch Wirtschaftsprüfer/-innen, vereidigte Buchprüfer/-innen und manche Anwälte/Anwältinnen, letztlich alle Berufsträger, die “prüfende Dritte” für die Corona- Wirtschaftshilfen sind und über die die Hilfen beantragt werden müssen bzw. mussten.
Und nun stehen vielfach noch vertiefte Prüfungen der Berechtigung von Corona-Wirtschaftshilfen durch die Bewilligungsstellen an. Die Prüfungen können in einzelnen Fällen dazu führen, dass Abschlagszahlungen, mit denen fest gerechnet worden ist, ausbleiben und allgemein die Auszahlung weiterer Hilfen gestoppt wird. Besonders brisant wird es dann, wenn hohe, bereits ausgezahlte Corona-Hilfsgelder wieder zurückgefordert werden. Ob und inwieweit dies alles seine Richtigkeit hat, hängt einerseits vom jeweiligen Sachverhalt, andererseits oftmals aber auch zum Teil von komplizierten Rechtsfragen ab. Schon der Ausgangspunkt, ob ein Antrag richtig gestellt worden ist, kann sich als größeres Problem erweisen, vor allem auch dann, wenn zwischenzeitlich die einschlägigen Antragsfristen abgelaufen sind. Sofern es technische Probleme bei der Antragsübermittlung gab, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen. Oder es erfolgte bei Antragstellung eine Orientierung an den amtlichen Frequently Asked Questions (FAQ), wobei das von der jeweiligen Bewilligungsstelle an den Tag gelegte Verständnis dieser FAQ ein anderes sein konnte, als dies das antragstellende Unternehmen in Begleitung eines prüfenden Dritten nach geflissentlicher Prüfung tatsächlich angenommen hat. Dies gilt umso mehr, wenn FAQ in der Zwischenzeit überarbeitet, ergänzt oder präzisiert wurden, was den Unternehmen und prüfenden Dritten zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht bekannt sein konnte. Hier stellt sich die Frage, welche Bedeutung einem Vertrauensschutz trotz freiwilliger staatlicher Zuwendungen zukommt. Auch wird man sich zu fragen haben, inwieweit hier der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz im Einzelfall verletzt werden würde, wenn ein Unternehmen nachträglich mit Anforderungen konfrontiert wird, die es nicht erkannt hat beziehungsweise gar nicht erkennen konnte. Im Detail geht es sodann um weitere Prüfungspunkte, vor allem dahingehend, welche Kosten tatsächlich förderfähig sind und welche Anrechnungen aus anderen Zuwendungsprogrammen erfolgen müssen. Sollten Fragen aufkommen, ob Berechnungen auf der Grundlage eines verbundenen Unternehmens oder gerade keines verbundenen Unternehmens durchzuführen waren, greifen wiederum komplizierte europarechtliche Maßstäbe. Begleitend dazu ist zu prüfen, wie im Bedarfsfall Zugang zu relevanten Unterlagen der Bewilligungsstellen gewährleistet werden kann.
Verschiedene veröffentlichte Urteile deutscher Gerichte zu solchen Fragen sind in Zusammenhang mit Corona-Hilfen schon auszumachen, doch ist insgesamt deren Zahl noch eher gering. Dies kann sich aber in absehbarer Zeit ändern. Für betroffene Unternehmen und ihre prüfenden Dritten steht hierbei viel auf dem Spiel. So forderte die Bundessteuerberaterkammer, dass es nicht zu (subventionsrechtlichen) Haftungsrisiken oder Regressansprüchen kommen dürfe, wenn Anträge infolge bestehender Unsicherheiten hinsichtlich der Vorgaben der jeweiligen Hilfsprogramme oder beihilferechtlicher Restriktionen falsch gestellt worden sind.
Wegen hoher Arbeitsbelastung oder auch aus anderen Gründen geht die Kommunikation mit den Bewilligungsstellen zum Teil nicht in dem Tempo voran, wie dies für eine zügige Entscheidungsfindung erforderlich wäre. Wenn sich der Erlass von Bescheiden zeitlich in die Länge zieht, bleibt die Rechtssicherheit solange in der Schwebe. Möglicherweise sind dazu dann auch noch umfangreiche Rechtsstreitigkeiten zu führen. Im äußersten Fall kann dies alles soweit gehen, dass bei völlig anderer Liquiditätssituation oder einem anderen Stand an Verbindlichkeiten als zunächst gedacht Insolvenzverfahren in Betracht gezogen werden müssen, wenn keine andere Abhilfe möglich erscheint.
Dr. Thomas M. Grupp, RA, Maître en droit (Aix-Marseille III), ist Partner der Haver & Mailänder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und am Standort Stuttgart tätig. Er befasst sich vor allem mit Fällen an der Schnittstelle zwischen Zivilrecht, öffentlichem Wirtschaftsrecht und Europarecht.
Grupp, BB 2021, Heft 47, Umschlagteil, I