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BFH: Einreichung einer Steuererklärung unmittelbar vor Ablauf der Festsetzungsfrist

Der BFH hat mit Urteil vom 28.7.2021 – X R 35/20 – entschieden:

1. NV: Für die Wahrung der Festsetzungsfrist ist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO derjenige Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Auf den Zeitpunkt, in dem eine Steuererklärung bei der Finanzbehörde eingereicht wurde, kommt es nicht an.

2. NV: Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuer- oder Feststellungserklärung ist nicht als Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO anzusehen (Bestätigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung). Dies gilt auch dann, wenn in einem Begleitschreiben zu der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung von einem „Antrag auf Veranlagung“ die Rede ist.

3. NV: Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO tritt nicht ein, wenn der Erlass eines (begünstigenden) Steuerbescheids erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist abgelehnt und dieser Ablehnungsbescheid angefochten wird (Bestätigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

4. NV: Bei einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht anwendbar, sodass die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, beginnt.

5. NV: Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann nicht erwartet werden, dass der Steuerbescheid noch innerhalb der Festsetzungsfrist den Bereich der Finanzbehörde verlässt, wenn die Steuererklärung erst einen Tag vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim FA eingereicht wird.

6. NV: Bei einem unteilbaren Streitgegenstand (z.B. dem Einkommensteuerbescheid für einen bestimmten Veranlagungszeitraum) kann die Revisionszulassung nicht auf eine einzelne Rechtsfrage beschränkt werden. In einem solchen Fall kann ein Revisionskläger im Rahmen des von ihm bereits beim FG gestellten Antrags auch solche Rechtsfragen streitig stellen, in denen der die Revision zulassende Spruchkörper keinen Zulassungsgrund gesehen hat.

(Amtliche Leitsätze)

Volltext BB-Online BBL2021-2710-1