EuGH-Schlussanträge: Gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten

Der GA Rantos schlägt mit Schlussanträge vom 30.9.2021 – C-257/20 vor, folgendermaßen zu entscheiden:

1. Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie für die Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 des Zakon za korporativnoto podohodno oblagane (Körperschaftsteuergesetz) nicht heranzuziehen sind, da diese Vorschrift keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt.

2. Art. 4 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 03.06.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass Zinszahlungen, wie sie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie beschrieben sind, als Gewinnausschüttungen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten qualifiziert werden.

3. Die Richtlinie 2011/96 ist dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung auf eine Quellensteuer auf fiktive Zinseinkünfte aus einem zinslosen Darlehen findet, das die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft gewährt hat.

4. Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die in Anwendung des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ und zur Bekämpfung der Steuerumgehung eine Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen vorsieht, die eine gebietsansässige Tochtergesellschaft, der von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft ein zinsloses Darlehen gewährt worden war, unter Marktbedingungen an Letztere hätte zahlen müssen, sofern die in dieser Regelung vorgesehene Steuerberichtigung auf einer Einzelfallprüfung des betreffenden

Geschäfts beruht und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, Beweise dafür beizubringen, dass dieses Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen getätigt wurde.

5. Die Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12.02.2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass sie einer Quellensteuer, wie sie Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, nicht entgegensteht.

(Schlussanträge)

Volltext BB-Online BBL2021-2390-1