BAG: Beitragspflichten zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft – Lüftungsbau

Das BAG hat mit Urteil vom 28. April 2021 – 10 AZR 34/19, ECLI:DE:BAG:2021:280421.U.10AZR34.19.0 – entschieden:

1. Ein Betrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes erbracht werden, kann vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge ausgenommen sein, wenn mehr als die Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit einem der Tatbestände des Ausnahmekatalogs des § 1 Abs. 2 Abschn. VII der Verfahrenstarifverträge zuzuordnen ist (Rn. 15 ff.).

2. Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschn. VII der Verfahrenstarifverträge zuzuordnen sind, kommt es darauf an, welches Gepräge diese „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ dem Betrieb geben. Die Abgrenzung richtet sich insbesondere danach, ob die „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ von Fachleuten des ausgenommenen Gewerks angeleitet oder verrichtet werden. Werden sie von Fachleuten eines Baugewerbes oder von ungelernten Arbeitskräften angeleitet und durchgeführt, ist regelmäßig eine Ausnahme vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge abzulehnen (Rn. 19).

3. Eine natürliche Person, die in die Handwerksrolle eingetragen ist und damit nach § 1 Abs. 1 HwO berechtigt ist, ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig zu betreiben, ist nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes als Fachmann seines Gewerbes anzusehen. Das gilt auch, wenn die Person aufgrund einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO in die Handwerksrolle eingetragen ist (Rn. 22 ff.).

4. Die arbeitszeitlich überwiegend ausgeführten „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ geben einem Betrieb auch dann das Gepräge eines nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes ausgenommenen Gewerks, wenn sie zwar nicht von Fachleuten ausgeführt, jedoch von Fachleuten des ausgenommenen Gewerks angeleitet werden. Das gilt, soweit dadurch sichergestellt ist, dass sie fachgerecht nach den für das ausgenommene Gewerk geltenden Regeln verrichtet werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die anleitenden Fachleute Arbeitnehmer sind oder ob es sich um Inhaber des Betriebs oder Geschäftsführer der Arbeitgeberin handelt (Rn. 27).

5. Montagebau iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes ist die auf der Montage vorgefertigter Teile beruhende Bauweise. Montage ist das Zusammensetzen oder der Zusammenbau einzelner vorgefertigter Teile. Es müssen industriell hergestellte, nicht mehr wesentlich zu verändernde Fertigteile verbaut werden (Rn. 31).

6. Für die Abgrenzung einer handwerklichen von einer industriellen Herstellung kommt es darauf an, ob die Handfertigkeit der am Produktionsprozess beteiligten Arbeitnehmer prägend für die Produktherstellung ist. Die handwerkliche Fertigung zeichnet sich gegenüber der industriellen dadurch aus, dass die Produktion von dem Können sowie den Fertigkeiten einer nicht unerheblichen Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und nicht von dem Einsatz der solche Arbeitnehmer ersetzenden Maschinen abhängt. Andererseits spricht es nicht zwingend für eine industrielle und gegen eine handwerkliche Fertigung, wenn technische Hilfsmittel genutzt werden. Erst wenn die Technisierung zur Folge hat, dass wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten des betreffenden Handwerks durch den Einsatz von Maschinen entbehrlich werden und kein Raum mehr für das handwerkliche Können bleibt, spricht dies gegen eine handwerkliche und für eine industrielle Herstellung (Rn. 32 f.).

7. Eine auftragsbezogene Produktion von Waren für bestimmte Kunden kann für eine handwerkliche Fertigung sprechen, steht jedoch nicht allgemein einer industriellen Herstellung entgegen (Rn. 34).

8. Ob eine handwerkliche oder eine industrielle Herstellung gegeben ist, lässt sich nur im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände ermitteln. Den Tatsacheninstanzen kommt dabei ein Beurteilungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, ob die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen übersehener wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (Rn. 35).