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OLG München: Voraussetzungen für die Prüfung des FRAND-Einwands

OLG München, Urteil vom 20.3.2025 – 6 U 3824/22 Kart

1. Da die kartellrechtliche Überprüfung eines dem beklagten Patentverletzers vom klagenden SEP-Inhaber unterbreiteten Lizenzangebots zumeist sehr zeitaufwendig ist und unter Umständen im Rahmen eines Rechtsstreits auch der Hinzuziehung sachverständiger Hilfe bedarf, der Kläger sich aber andererseits gegen eine unberechtigte Nutzung seines Patents effektiv und schnell wehren können muss, ist sicherzustellen, dass die Erhebung des FRAND-Einwands nicht zu einer faktischen Verkürzung der Rechtsposition des Patentinhabers führt, sondern lediglich ein Korrektiv gegen ein (kartellrechtlich) missbräuchliches Verhalten des Unterlassungsklägers darstellt. In diesem Licht sind die vom EuGH in der Entscheidung „Huawei“ (GRUR 2015, 764 = WRP 2015, 1080) genannten Verhandlungsschritte zu sehen.

2. Die – nur auf Einrede des Beklagten zu prüfende – Frage des Missbrauchs der Marktmacht durch den Kläger stellt sich grundsätzlich im Rahmen der Begründetheit, da der FRAND-Einwand letztlich die Einrede des Beklagten beinhaltet, einen Anspruch gegen den Kläger auf Erteilung einer Lizenz (die als FRAND anzusehen ist) zu haben (vgl. BGH GRUR 2021, 585 Rn. 83 – FRAND-Einwand II), so dass es sich in der Sache um einen dolo-agit-Einwand (§ 242 BGB) handelt.

3. Die vom EuGH in der Entscheidung „Huawei“ (GRUR 2015, 764) genannten Verhandlungsschritte sind von den Parteien zwar grundsätzlich einzuhalten. Die strikte Einhaltung dieser Schritte soll aber keinem reinen Selbstzweck dienen. Deshalb ist im Unterlassungsklageverfahren, bei dem es „nur“ darum geht, ob dem in seinen Rechten verletzten Patentinhaber auch die prozessuale Möglichkeit zusteht, seinen Patentanspruch gegen den in Anspruch genommenen Verletzer durchzusetzen, in Bezug auf jeden der vom EuGH aufgeführten Schritte auch nach deren Sinn und Zweck zu fragen und danach, ob sich eine Partei zu einem späteren Zeitpunkt im gerichtlichen Verfahren nach Treu und Glauben auf rein formale „Fehler“ bei einem Schritt in einem früheren Verhandlungsstadium (noch) berufen kann, insbesondere beispielsweise, wenn sie sich in der Folge trotz des „fehlerhaften Schritts“ der Gegenseite gleichwohl auf Lizenzverhandlungen eingelassen hat.

4. Liegen die Voraussetzungen für die Pflicht zur Leistung einer Sicherheit durch den den FRAND-Einwand erhebenden Beklagten vor, muss sich diese der Höhe nach grundsätzlich nach dem (letzten) Angebot des Unterlassungsklägers richten (denn allein auf dieses kommt es für den Erfolg des FRAND-Einwands als dolo-agit-Einwand an). Beinhaltet dieses letzte Angebot eine (weltweite) Portfoliolizenz, muss die Sicherheit die dafür anfallende Lizenzgebühr abdecken und darf nicht auf das Klagepatent isoliert und das Gebiet der Bundesrepublik „heruntergerechnet“ werden. Zudem bedarf es einer qualifizierten Sicherheitsleistung dergestalt, dass durch eine verbindliche Erklärung des Beklagten sichergestellt werden muss, dass der Kläger die Sicherheit erhält, wenn sich sein Angebot am Ende als FRAND-gemäß erweist und auch die geltend gemachte Patentverletzung rechtskräftig bejaht wird.

5. Leistet der Patentverletzer keine Sicherheit im vorgenannten Sinne, ist der FRAND-Einwand nicht erfolgreich, ohne dass das klägerische Angebot auf seine FRAND-Gemäßheit hin zu überprüfen ist.

(Amtliche Leitsätze)

  • Die Revision zum BGH ist anhängig unter dem Az. KZR 10/25.