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EuGH-Schlussanträge: Schutz personenbezogener Daten

Nach Ansicht von GA Pikamäe ist die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten verpflichtet, wenn sie bei der Prüfung einer Beschwerde einen Verstoß feststellt

EuGH-Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-768/21 | Land Hessen (Handlungspflicht der Datenschutzbehörde):

Die Entscheidung über die zu ergreifende Abhilfemaßnahme hänge jedoch von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab

Ein Kunde einer Sparkasse ersuchte den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (Deutschland), gegen die Sparkasse wegen einer Verletzung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten einzuschreiten. Eine Mitarbeiterin der Sparkasse hatte nämlich mehrmals unbefugt auf seine Daten zugegriffen.

Der Datenschutzbeauftragte stellte eine Verletzung des in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgesehenen Datenschutzes fest.[1] Er kam jedoch zu dem Ergebnis, dass ein Einschreiten gegen die Sparkasse nicht geboten sei, da diese gegen die betreffende Mitarbeiterin bereits Disziplinarmaßnahmen ergriffen habe.

Der Kunde geht gegen diese Weigerung bei einem deutschen Gericht vor und beantragt, den Datenschutzbeauftragten zum Einschreiten gegen die Sparkasse zu verpflichten. Er macht u. a. geltend, dass der Datenschutzbeauftragte gegen die Sparkasse Bußgelder hätte verhängen müssen.

Das deutsche Gericht hat den Gerichtshof zu den Befugnissen und Pflichten des Datenschutzbeauftragten als „Aufsichtsbehörde“ im Sinne der DSGVO befragt.

Nach Ansicht von Generalanwalt Pikamäe ist die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten verpflichtet, wenn sie bei der Prüfung einer Beschwerde eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten feststelle.

Insbesondere habe sie die Abhilfemaßnahme(n) zu ermitteln, die zur Behebung des Verstoßes und zur Durchsetzung der Rechte der betroffenen Person am besten geeignet sei bzw. seien.

In diesem Zusammenhang räume die DSGVO der Aufsichtsbehörde zwar ein gewisses Ermessen ein, verlange jedoch, dass die Maßnahmen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig seien. Daraus ergebe sich zum einen, dass das Ermessen bei der Wahl der Mittel beschränkt sei, wenn der erforderliche Schutz nur durch ganz bestimmte Maßnahmen[2] gewährleistet werden könne, und zum anderen, dass die Aufsichtsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen auf die Maßnahmen nach der DSGVO verzichten dürfe, wenn dies durch die besonderen Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sei. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der Verantwortliche bestimmte Maßnahmen aus eigener Initiative ergriffen habe. Jedenfalls habe die betroffene Person keinen Anspruch auf Erlass einer bestimmten Maßnahme.[3] Diese Grundsätze gälten auch für die Geldbußenregelung.[4]

(EUGH-PM Nr. 63/24 v. 11.4.2024)


[1] Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 4. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).

[2] So sei es nicht einmal ausgeschlossen, dass je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls das Ermessen auf den Erlass der geeigneten Maßnahme beschränkt sei.

[3] Es sei denn, das Ermessen sei je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls auf den Erlass der geeigneten Maßnahme beschränkt. Der Generalanwalt schließt hingegen ein subjektives Recht der betroffenen Person auf Verhängung einer Geldbuße aufgrund des mit dieser verfolgten Strafzwecks kategorisch aus.

[4] Zum Ermessen der Aufsichtsbehörde führt der Generalanwalt aus, dass nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung für die Verhängung von Geldbußen eine Verwaltungspraxis zu entwickeln sei, die gleichartige Fälle gleichbehandele.