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BAG: Drittschuldnerklage – Verbraucherinsolvenz – Vollstreckungsverbot des § 89 InsO – Reichweite des § 89 Abs. 3 InsO

BAG, Urteil vom 20.7.2023 – 6 AZR 112/23

ECLI:DE:BAG:2023:200723.U.6AZR112.23.0

1. Werden mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss künftige Arbeitsentgeltforderungen gepfändet, erlangt er hinsichtlich dieser Forderungen erst dann Wirksamkeit, wenn die Forderungen entstehen. Das ist erst nach Erbringung der Arbeitsleistung der Fall (Rn. 17 f.).

2. Ungeachtet einer Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt die Pfändung solcher Forderungen damit erst während des Insolvenzverfahrens und unterfällt dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO (Rn. 13, 18).

3. Die nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO ausnahmsweise weiterhin zulässige Vollstreckung wegen Unterhalts- oder Deliktsansprüchen in die erweitert pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis ist nur für Neugläubiger, nicht aber Insolvenzgläubiger, und nur in solche Forderungen möglich, die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens entstehen oder fällig werden (Rn. 20 f.).

4. Trotz des Vollstreckungsverbots des § 89 Abs. 1 InsO und der damit einhergehenden schwebenden Unwirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bleibt die durch seine Zustellung ausgelöste öffentlich-rechtliche Verstrickung der Pfandsache bestehen. Das ändert sich erst, wenn auf einen entsprechenden Rechtsbehelf hin der Vollzug des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses rangerhaltend ausgesetzt und damit die Verstrickung für die Dauer und Zwecke des Insolvenzverfahrens sowie eines sich ggf. anschließenden Restschuldbefreiungsverfahrens beseitigt wird (Rn. 25 ff.).

5. Auch wenn § 89 Abs. 1 InsO die Verstrickung unberührt lässt, hindert er den Vollstreckungsgläubiger für die Dauer des Insolvenzverfahrens daran, aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorzugehen und seinen Einziehungsanspruch gegenüber dem Drittschuldner durchzusetzen (Rn. 33).

6. Der Drittschuldner kann sich gegen die Einziehungsklage des Vollstreckungsgläubigers mit dem Einwand des Vollstreckungsverbots des § 89 Abs. 1 InsO verteidigen. Dem steht § 89 Abs. 3 InsO nicht entgegen (Rn. 34 ff.).

(Orientierungssätze)

Unterfällt eine Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO, kann der Vollstreckungsgläubiger während des eröffneten Insolvenzverfahrens die vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasste Forderung – auch wenn deren öffentlichrechtliche Verstrickung noch besteht – mangels materiell-rechtlichen Verwertungsrechts nicht im Wege der Drittschuldnerklage durchsetzen.

(Amtlicher Leitsatz)