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FG Münster: Unter welchen Voraussetzungen wird ein Familienheim, das nach dem Tod des Erblassers umfassend renoviert wird, unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt?

FG Münster, Urteil vom 30.6.2023 – 3 K 3184/17 Erb

1. Eine Wohnung ist dann zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an, die Angabe in der Erbschaftsteuererklärung reicht dafür nicht aus.

2. Der Erwerber muss die Wohnung „unverzüglich“, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Dies ist dann der Fall, wenn die Handlung innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Dabei ist der Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall als ausreichend anzusehen.

3. Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Dabei sind die Gründe, die zu einer Verzögerung führen, dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er diese nicht zu vertreten hat, z. B. weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss.

4. Dem Erwerber obliegt es auch, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Dabei muss er aber nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung betreiben. Es ist ausreichend, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.

5. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Merkmale der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG trägt der Erwerber.

(Nicht Amtliche Leitsätze)

Volltext BB-Online BBL2023-1430-1