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BAG: Wartezeitkündigung – Maßregelungsverbot

BAG, Urteil vom 30.3.2023 – 2 AZR 309/22

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften Medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

(Amtlicher Leitsatz)

1. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (Rn. 10).

2. War das wesentliche Motiv für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Medizinischen Fachangestellten der Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, fehlt es an der für § 612a BGB erforderlichen Kausalität zwischen dem von der Arbeitnehmerin ausgeübtem Recht, sich nicht gegen das Virus impfen zu lassen und der benachteiligenden Maßnahme (Rn. 13).

3. Wo die Bestimmungen des KSchG nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (§ 138 Abs. 1, § 242 BGB) vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten (Rn. 18).

4. Das mit der Kündigung einer in der Patientenversorgung eingesetzten Medizinischen Fachangestellten verfolgte Motiv, einen möglichst umfassenden Gesundheitsschutz für die Patienten und Belegschaftsangehörigen durch die Beschäftigung von gegen das Coronavirus geimpften Arbeitnehmern zu erreichen, verfolgt einen legitimen Zweck und ist daher nicht willkürlich (Rn. 21 f.).

5. Der Rechtsträger eines Krankenhausbetriebs durfte – wie nachfolgend der Gesetzgeber des § 20a IfSG – davon ausgehen, dass eine Impfung gegen das Coronavirus bei Personen, die im medizinischen Bereich eines Krankenhauses tätig sind, zum bestmöglichen Schutz des Lebens und der Gesundheit vulnerabler Menschen beitragen kann (Rn. 27).

(Orientierungssätze)