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Besteuerung von Grenzpendlern: Landesregierung für dauerhaft weniger Bürokratie zur Förderung grenzüberschreitenden Lebens und Arbeitens

Minister Dr. Optendrenk und Minister Liminski: „Brauchen zeitnahe und praktikable Regelungen“

Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt sich beim Bund in Berlin für Erleichterungen bei der Besteuerung von Grenzpendlern ein. Hintergrund ist das Auslaufen der während der Corona-Pandemie etablierten Vereinfachungsregelungen bereits zum 30. Juni 2022. Das Bundesministerium der Finanzen hatte hierzu mit verschiedenen Nachbarstaaten entsprechende Übergangsvereinbarungen abgeschlossen, mit der die teilweise komplexen Abgrenzungsfragen zwischen den Besteuerungsrechten von Wohnsitz- und Tätigkeitsstaat deutlich entbürokratisiert wurden.

Für viele Menschen in den nordrhein-westfälischen Grenzregionen zu den Niederlanden und Belgien, die regelmäßig von ihrem Wohnsitz in dem einen Staat zur Arbeit in den anderen Staat pendeln, haben diese Regelungen während der Pandemie zu spürbaren Vereinfachungen geführt und zusätzliche Bürokratie vermieden. Von besonderer Bedeutung für die betroffenen Grenzpendler ist dabei, dass sich an ihrer Besteuerungssituation im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit nichts ändern soll. Insbesondere besteht großer Widerstand, nur wegen hinzugekommener Homeoffice-Tage nun in zwei Staaten steuerliche Pflichten erfüllen zu müssen, auch wenn es dadurch zu keiner Doppelbesteuerung kommen kann. „Das ersatzlose Auslaufen dieser Regelungen wird der veränderten Arbeitsrealität nicht mehr gerecht. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, erläuterte der nordrhein-westfälische Minister der Finanzen Dr. Marcus Optendrenk. „Mobiles Arbeiten ist eine Chance für mehr grenzüberschreitendes Zusammenleben. Zentral für die Attraktivität von grenzüberschreitendem Arbeiten ist das Steuerrecht. Wir müssen eine faire Besteuerungspraxis erzielen, die der Lebensrealität der Grenzpendlerinnen und Grenzpendler entspricht“, fordert Europaminister Nathanael Liminski.

Um auf die berechtigten Anliegen der Grenzpendler hinzuweisen und sich für eine angemessene Lösung dieser Thematik stark zu machen, haben sich die beiden Minister in einem gemeinsamen Brief an den für die Verhandlungen mit den Niederlanden und Belgien zuständigen Bundesfinanzminister gewandt. „Ziel müssen zeitnahe und praktikable Regelungen für Verwaltung, Unternehmen und betroffene Beschäftigte sein. Sie müssen so großzügig ausgestaltet sein, dass sie für die Betroffenen eine echte Erleichterung darstellen“, heißt es in dem Schreiben an Bundesfinanzminister Christian Lindner. Daneben sollten auch auf internationaler Ebene Abstimmungen für eine dauerhafte Lösung ausdrücklich unterstützt werden.

Viele Grenzpendler haben ihre Tätigkeit in den letzten Jahren verstärkt im Homeoffice ausgeübt. Dieser Trend hat sich auch mit dem Abebben der Pandemie fortgesetzt. Mit dem Auslaufen der Übergangsregelungen entstehen neue bürokratische Hürden, möglicherweise steht für einzelne Arbeitnehmer eine Verschärfung bei der Besteuerung ihrer Löhne und Gehälter im Raum. „Die Pandemie hat für eine Veränderung der Arbeitswelt und für ein erhöhtes Bedürfnis nach flexibleren Arbeitsweisen gesorgt. Bei vielen Unternehmen spielt der Tätigkeitsort keine nennenswerte Rolle mehr“, betont Liminski. „Heute ist es durchaus üblich, mehrere Tage in der Woche im Homeoffice zu arbeiten. Ebenso ist es in unseren Ministerien. Darauf müssen wir auch mit unseren steuerlichen Regelungen reagieren“, so Dr. Optendrenk weiter.

Für Ihren Hintergrund:

In Deutschland ansässige Grenzpendler sind hier unbeschränkt, d.h. grundsätzlich mit allen ihren Einkünften steuerpflichtig. Im Nachbarstaat sind dagegen grundsätzlich nur ihre dortigen Einkünfte steuerpflichtig. Um eine doppelte Besteuerung in beiden Ländern zu vermeiden, werden die im Nachbarstaat erarbeiteten Einkünfte im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland regelmäßig von der Besteuerung freigestellt. Im umgekehrten Fall – einem in Belgien oder den Niederlanden ansässigen Arbeitnehmer, der in Deutschland seiner Arbeit nachgeht – vermeidet Belgien bzw. die Niederlande als Wohnsitzstaat die Doppelbesteuerung der in Deutschland erzielten und besteuerten Einkünfte.

Die regelmäßige Arbeit im Homeoffice führt aber beispielsweise für den in Deutschland ansässigen Auspendler dazu, dass relevante Teile der bislang in Deutschland steuerfreien Arbeitsleistung nicht mehr im benachbarten Ausland, sondern in Deutschland erbracht werden und hierdurch grundsätzlich auch der deutschen Besteuerung unterliegen.

Dies wurde durch die befristet bis zum 30. Juni 2022 geltenden Übergangsregelungen großteils verhindert. Durch sie war sichergestellt, dass die vorübergehende Homeoffice-Tätigkeit im Inland für einen im Ausland angestellten Arbeitnehmer in den Hochzeiten der Pandemie unschädlich war, sofern im Ausland der Arbeitslohn besteuert wird. Nach dem Auslaufen dieser Regelungen erfolgt nun wieder eine Besteuerung der auf die Tätigkeit im Homeoffice entfallenden Gehaltsbestandteile im Wohnsitzstaat.

Prinzipiell betroffen sind etwa 42.700 Pendler, die aus Nordrhein-Westfalen – meist aus den Gemeinden Selfkant und Kranenburg –  in die Niederlande pendeln. In umgekehrte Richtung pendeln knapp 8.000 Personen, hier vor allem in die Stadt Aachen. Mit Belgien stehen die Pendlerströme unter umgekehrtem Vorzeichen: 3.400 aus Gesamtdeutschland auspendelnde Personen stehen 12.900 Einpend­lern gegenüber.

Herausfordernd und immer mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist derzeit für die Betroffenen, bestehende Anforderungen mehrerer Staaten für eine zutreffende steuerliche Behandlung der Einkünfte zu erfüllen.

Link zum Video der Landtagsdebatte zum Thema Grenzpendler, ab 3:41:00: https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=8178d62d-fc60-…

(Finanzverwaltung NRW v. 15.12.2022)