Die Europäische Kommission hat eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen das Mehrwertsteuersystem der EU modernisiert werden soll. Das System soll für Unternehmen vereinfacht werden und widerstandsfähiger gegen Betrug sein. Das soll vor allem durch stärkere Digitalisierung, wie zum Beispiel durch elektronische Rechnungsstellungerreicht werden. Der EU sind im Jahr 2020 Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 93 Milliarden Euro entgangen – ein Viertel davon sind konservativen Schätzungen zufolge auf Mehrwertsteuerbetrug innerhalb der EU zurückzuführen. Deutschland sind im Jahr 2020 Steuereinnahmen in Höhe von mehr als 11 Milliarden Euro entgangen. Es wurde zudem ein Vorschlag gemacht, um die Herausforderungen im Mehrwertsteuerbereich in der Plattformwirtschaft anzugehen.
Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident für Wirtschaft, sagte: „Im Zuge der Anpassung an das digitale Zeitalter müssen wir auch unsere Mehrwertsteuervorschriften auf die neuen digitalen Gegebenheiten abstimmen, z. B. auf das rasche Wachstum des elektronischen Handels und der Plattformarbeit. Digitale Technologien wie die elektronische Rechnungsstellung sind ein wirksames Mittel, mit dem die Mehrwertsteuereinnahmen erhöht und gleichzeitig EU-Unternehmen – insbesondere kleine Unternehmen – beim Wachstum unterstützt werden können. Solche Technologien können zur Betrugsbekämpfung beitragen und so jedes Jahr den Verlust von vielen Milliarden Euro an Steuereinnahmen verhindern und den Druck auf die angespannten öffentlichen Finanzen verringern. Mit den heutigen Vorschlägen werden unsere Mehrwertsteuervorschriften vereinfacht und gestrafft sowie gerechtere Verhältnisse für Unternehmen geschaffen, und es wird der digitale Wandel in ganz Europa gefördert.“
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni fügte hinzu: „Den EU-Mitgliedstaaten entgehen durch Mehrwertsteuerbetrug jedes Jahr Milliarden, während Unternehmen Schwierigkeiten haben, die veralteten Mehrwertsteuervorschriften einzuhalten. Mit den heutigen Vorschlägen wird eine neue Ära für das Mehrwertsteuersystem der EU eingeläutet. Dies kommt legal operierenden Unternehmen, insbesondere KMU, sowie den Mitgliedstaaten zu einem Zeitpunkt zugute, zu dem die öffentlichen Finanzen unter Druck stehen und der Finanzierungsbedarf für Investitionen und öffentliche Dienste immens ist. Dabei gleichen wir die Wettbewerbsbedingungen für herkömmliche Anbieter und digitale Plattformen in Bereichen, in denen sich die steuerliche Ungleichbehandlung am deutlichsten auswirkt, stärker an.“
Die Verluste aus der Mehrwertsteuerlücke wirken sich äußerst nachteilig auf die öffentlichen Finanzen insgesamt aus, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten ihre Haushalte anpassen, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen Energiepreissteigerungen und des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine zu bewältigen. Die Mehrwertsteuerregelungen in der EU können für Unternehmen außerdem noch immer mit einem großen Aufwand verbunden sein. Dies gilt insbesondere für KMU und andere Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind oder in andere Länder expandieren wollen.
Mehrwertsteuerlücke in Deutschland
Die Mehrwertsteuerlücke in Deutschland lag 2020 bei über 11 Milliarden Euro, das ist ein Rückgang verglichen mit dem Vorjahr. Deutschland liegt damit unter dem EU-Meridian von 2020.
Die vorgeschlagenen zentralen Maßnahmen werden den Mitgliedstaaten dabei helfen, jährlich zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von bis zu 18 Milliarden Euro zu erzielen. Zudem werden sie Unternehmen helfen, zu wachsen.
Umstellung auf die digitale Meldung in Echtzeit
Mit dem neuen System wird die digitale Meldung in Echtzeit für Mehrwertsteuerzwecke auf der Grundlage der elektronischen Rechnungsstellung eingeführt. Dadurch erhalten die Mitgliedstaaten wertvolle Informationen, die für die bessere Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug, insbesondere Karussellbetrug, notwendig sind. Die Umstellung auf die elektronische Rechnungsstellung wird zur Verringerung der jährlich durch Mehrwertsteuerbetrug bedingten Verluste um bis zu 11 Milliarden Euro beitragen und bewirken, dass die Verwaltungs- und Befolgungskosten für EU-Händler in den nächsten zehn Jahren um über 4,1 Milliarden Euro pro Jahr gesenkt werden. Durch die Umstellung wird auch für die Annäherung der bestehenden nationalen Systeme in der gesamten EU gesorgt. Zudem wird der Weg für die Mitgliedstaaten geebnet, die in den nächsten Jahren auf nationaler Ebene digitale Meldesysteme für den inländischen Handel einrichten möchten.
Mehrwertsteuervorschriften für Plattformen für Personenbeförderung und Kurzzeitvermietung von Unterkünften
Gemäß den neuen Vorschriften werden in diesen Bereichen tätige Plattformbetreiber künftig dafür zuständig sein, die Mehrwertsteuer zu erheben und an die Steuerbehörden abzuführen, wenn die Dienste-Anbieter dies nicht tun, beispielsweise, weil es sich bei ihnen um kleine Unternehmen oder einzelne Anbieter handelt. Dies wird zusammen mit weiteren Klarstellungen für einen in allen Mitgliedstaaten einheitlichen Ansatz sorgen und zur stärkeren Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für Online-Dienste und herkömmliche Dienste in den Bereichen Kurzzeitvermietung von Unterkünften und Personenbeförderung beitragen. Damit einher gehen auch Erleichterungen für KMU. Diese müssten andernfalls die Mehrwertsteuervorschriften in allen Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, kennen und einhalten.
Einführung einer einzigen EU-weiten Mehrwertsteuerregistrierung
Der Vorschlag vom 08.12.2022 stützt sich auf das bereits bestehende Modell der „einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer“ für im Online-Verkauf tätige Unternehmen. Dank dem Vorschlag müssten sich Unternehmen mit Kundinnen und Kunden in anderen Mitgliedstaaten für die gesamte EU nur einmal für Mehrwertsteuerzwecke registrieren. Zudem könnten sie ihre Mehrwertsteuerpflichten über ein einziges Online-Portal in nur einer Sprache erfüllen. Schätzungen zufolge könnten Unternehmen, insbesondere KMU, dadurch in einem Zeitraum von zehn Jahren Registrierungs- und Verwaltungskosten in Höhe von etwa 8,7 Milliarden Euro einsparen. Zu den weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Mehrwertsteuererhebung gehört unter anderem die verpflichtende Nutzung der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr durch bestimmte Plattformen, die Verkäufe an Kundinnen und Kunden in der EU erleichtern.
Nächste Schritte
Bei dem Vorschlagspaket handelt es sich um Änderungen an den drei folgenden EU-Rechtsakten: Mehrwertsteuerrichtlinie (2006/112/EG), Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011des Rates und Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden.
Die Legislativvorschläge werden dem Rat zur Zustimmung und dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Konsultation übermittelt.
(PM EU-Kommission – Vertretung in Deutschland – vom 08.12.2022)