Steuerkonferenz der Deutschen Wirtschaft am 13./14.2.2020 in Berlin

Vom 13.–14. Februar 2020 fand in Berlin die Steuerkonferenz der Deutschen Wirtschaft statt. Prof. Haarmann eröffnete um 9.00 Uhr die Konferenz. Er begrüßte inländische und ausländische Persönlichkeiten des Steuerrechts aus den verschiedensten Funktionsbereichen.

Steuersysteme zwischen Wettbewerbsdruck und Verteilungszielen

Nach den Grußworten leitete er zum Eröffnungsvortrag von Prof. Fuest über. Dieser sprach zum Thema „Steuersysteme zwischen Wettbewerbsdruck und Verteilungszielen“. Nach der Vorstellung des Spannungsverhältnisses zwischen Wettbewerbsdruck der Steuersysteme und Verteilungsvorstellungen wandte er sich verschiedenen „Geschichten“, wie er es nannte, zu und belegte, dass diese mit Fakten nicht zu untermauern seien. So zeigte er, dass die Erosion der direkten Steuern und die Stärkung der indirekten Steuern statistisch nicht nachweisbar sei. Auch die immer wieder behauptete Steuersenkung in Deutschland entspreche nicht den Fakten. Die Evidenz, dass Steuersenkungen zu mehr Wachstum führten, sei kaum vorhanden. Insgesamt sei die Steueraufkommensstruktur der letzten 50 Jahre in Deutschland erstaunlich stabil. So habe die Senkung der Unternehmenssteuern nicht zu einem Verlust von Steueraufkommen geführt, da gleichzeitig die Bemessungsgrundlage zur Berechnung erheblich verbreitert worden sei. Die Frage, ob Steuersenkungen angezeigt seien, sei eine politische Entscheidung. Ebenso sei es eine politische Entscheidung, wenn mehr öffentliche Leistungen gewünscht seien, könnten die Steuern nicht sinken. Aus seiner Sicht sei nicht entscheidend, finanzielle Spielräume des Staates unter dem Gesichtspunkt von Einzelmaßnahmen zu diskutieren, sondern es müsse ein umfassendes in sich konsistentes Reformprogramm gestartet werden. Er stellte schließlich fest, dass Deutschland alleine den Steuerwettbewerb nicht anheizen könne. Ferner habe Deutschland zwischenzeitlich die zweithöchste Steuerbelastung innerhalb der OECD. Dies könne so nicht bleiben. Nach diesem Themenkomplex wandte er sich der Grunderwerbsteuer zu und beschrieb, warum, aus seiner Sicht, diese eine schädliche Steuer aus Unternehmenssicht darstellt. 

Parlamentarischen Runde

Nach dem Festvortrag ging es zum 1. Panel, der Parlamentarischen Runde, bei der die parteipolitischen Differenzen der Steuerpolitik zu Tage traten. Eloquent und charmant moderiert von Prof. Haarmann traten die Differenzen zu steuerpolitischen Fragen aber offen zutage. Es gab weder Einigkeit über die sogenannte schwarze Null noch zur Frage, ob Steuersenkungen zu Investitionen führen. Weniger kontrovers ging es bei dem Thema Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu. Es herrschte Einigkeit, dass am Ende dieses Prozesses eine veränderte Zuordnung der Besteuerung im internationalen Steuerrecht stehen könnte. Kritisch angemerkt wurde, dass das Reformvorhaben gestartet sei mit dem Ziel, die sog. GAFA-Unternehmen zur Steuerzahlung zu bewegen, und nunmehr das Thema in eine Allokationsdebatte gemündet sei, wer erhalte vom globalen Steueraufkommen was und wieviel. 

Steuerpolitisches Panel der Wirtschaft
Steuerpolitisches Panel der Wirtschaft

Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung/ Steuerstrafrecht

Anschließend ging es zur ersten Kommunikations- und Kaffeepause um anschließend den Themenkomplex Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung/ Steuerstrafrecht zu erörtern. Die Moderation übernahm Dr. Pohl (McDermott Will & Emery LLP). Dabei lag der Schwerpunkt, wie konnte es anders sein, relativ schnell bei der sog. „Cum-Ex“-Thematik. In diesem Kontext wurden Verjährungsprobleme erörtert und herausgearbeitet, dass die Wirkung der Verjährung im Steuerrecht eine andere sei als im Zivilrecht. Während im Zivilrecht der Anspruch bestehen bleibe, aber nicht mehr durchsetzbar sei, erlösche im Steuerrecht der Anspruch durch die Verjährung. Dies habe vor allem Auswirkungen auf die sog. Einziehung und den Verfall i. S. d. StGB. Ansprüche, die erloschen seien, könnten nicht zur Einziehung und zum Verfall führen. Nach diesem Ausflug in die Welt des Steuerstrafrechts wandten sich die Panelteilnehmer der zeitnahen Betriebsprüfung zu. Insgesamt überwog die Meinung, dass eine zeitnahe Betriebsprüfung ein erstrebenswertes Ziel sowohl aus Sicht der Finanzverwaltung, aber auch aus Sicht der Unternehmen sei. Eher skeptisch wurde die Einrichtung eines IKS im Hinblick auf die Betriebsprüfung von Unternehmen gesehen, da ein IKS eine andere Stoßrichtung verfolge als die Betriebsprüfung. 

Konzernsteuerrecht und mehr

Es folgte die Mittagspause und der Themenschwerpunkt Konzernsteuerrecht. Auch hier war es dem Veranstalter gelungen, fachkundige Diskutanten aus Wirtschaft und Wissenschaft zu gewinnen, um aus deren Sicht Themen des Konzernsteuerrechts zu behandeln. Dr. Altvater (Deutsche Börse AG) behandelte das Thema Absicherung von Währungsrisiken aus Auslandsbeteiligungen unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des BFH I § 20/16. 

Der Themenschwerpunkt Unternehmenssteuerrecht einschl. Erbschaftsteuerrecht schloss sich nach einer Pause an. 

Das Steuerpolitische Panel beendete das Tagungsprogramm der Steuerkonferenz der Deutschen Wirtschaft. 

Mit dem Sektempfang im Foyer des Tagungshotels Adlon und dem sich anschließenden Dinner neigte sich der erste Tag der Steuerkonferenz der Deutschen Wirtschaft seinem Ende zu. 

Umsatzsteuer

Im Panel Umsatzsteuer des zweiten Veranstaltungstages befasste sich de Weerth (Deutsche Bank) mit den Konsequenzen der EuGH-Entscheidungen C-164/16, C-242/18 und C-201/1816 für Leasinggestaltungen (u. a. Zurechnung des Leasinggegenstandes, (Failed) Sale-and-Lease-back-Gestaltungen). Dass der EuGH in der Rs. C-420/18 die Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds verneint hat, könnte nach Einschätzung von Feldt (Vonovia SE) zu einer Änderung der Rspr. führen (BFH-Az. V R 23/19). Neuregelungen von MwStSystRL und UStG aus Sicht der Rechtsprechung stellte Wäger (BFH) vor. Anhand mehrerer Fälle illustrierte er die Bedeutung der ZM und der USt-IdNr. für die Steuerbefreiung i.g. Lieferungen. Diskutiert wurde, wann bei Abholung eine Gelangensbestätigung vorliegen müsse und ob eine Notarbestätigung (im EU-Ausland) ausreiche. Groß (Peters, Schönberger & Partner) stellte das italienische „Clearance-System“ vor, das dem Umsatzsteuerbetrug den Boden entziehe: Danach müssen Rechnungen über den Verkauf von Waren und Dienstleistungen ausschließlich elektronisch in einem Standardformat ausgestellt und an ein beim Fiskus angesiedeltes Austauschsystem (SdI) übermittelt werden. Dort werden u. a. die Gültigkeit der USt-IdNrn. überprüft, bevor die indirekte Zustellung an den Rechnungsempfänger erfolgt. Ein Vorsteuerabzug für Papierrechnungen ist ausgeschlossen. Die Vorteile für Unternehmen: Verzicht auf Rechnungsvorgaben und elektronische Verarbeitung im Unternehmen. Groß verweist auf ein deutsches Pendant: die XRechnung. Die Panelteilnehmer diskutierten, ob das italienische Modell evtl. eine Blaupause für Deutschland sein könnte. 

Internationales Steuerrecht

Panel Internationales Steuerrecht: Baker QC (UK), Birnbaum (SAP), Blessing (USA), Eisgruber (BMF), Hey (Univ. Köln), Hierstetter (GE), GAin Kokott (EuGH), Lienemeyer (EU-Kommission), van Lishaut (FinMin NRW), Williams (UK); Mod.: Linn
Panel Internationales Steuerrecht: Baker QC (UK), Birnbaum (SAP), Blessing (USA), Eisgruber (BMF), Hey (Univ. Köln), Hierstetter (GE), GAin Kokott (EuGH), Lienemeyer (EU-Kommission), van Lishaut (FinMin NRW), Williams (UK); Mod.: Linn 

Entwicklungen: OECD, EU, Deutschland, Beihilfethemen

Im Mittelpunkt des Panels Internationales Steuerrecht I (Entwicklungen: OECD, EU, Deutschland, Beihilfethemen) stand der Unified Approach (UA) des Inclusive Framework (IF) der OECD. Bei dem ursprünglich auf A 1 des BEPS-Projekts zurückgehenden – erweiterten – Nexus-Ansatz geht es um die Neuverteilung von Besteuerungsrechten für konsumentenorientierte Geschäftsmodelle („Pillar 1“), die nicht wie bisher an die physische Präsenz anknüpfen. Daneben zielt „Pillar 2“ auf eine globale Mindestbesteuerung (GloBE) für verbundene Unternehmen. Am 29./30.1.2020 nahm das IF den UA zu Pillar 1 sowie Grundsätze zu Pillar 2 an. Pross (OECD) erläuterte das Konzept: Der UA knüpft an die Teilnahme am Wirtschaftsleben eines Staates an, die sich an Umsatzschwellen orientiert, ändert die Gewinnverteilungsregeln und begründet Besteuerungsrechte der Marktstaaten. Eingeführt werden muss ein Streitpräventions- und -beilegungsmechanismus – mit Beteiligung des Steuerpflichtigen (Baker QC, Field Court Tax Chambers). Die politische Linie soll bis Juli 2020 (Berlin) festgelegt werden. Gegen den Vorschlag von US-Finanzminister Mnuchin, Unternehmen eine Besteuerung nach PIllar I freizustellen (Safe harbor-Option), sprach sich neben Williams (HM Treasury. London), Baker QC und Mayr (öst. BMF) auch Kischel (EU-Kommission) aus, der auf zu berücksichtigende EU-Besonderheiten hinwies. Eine Einigung auf OECD-Ebene werde die Kommission schnell umsetzen. Schön (MPI, München) warnte vor einer Richtlinie; jede Änderung bedürfe einer Einigung der EU 27. Kreienbaum (BMF) und Williams betonten, Pillar 1 dürfe nicht ohne Pillar 2 wirksam werden. Wünnemann (BDI) forderte dazu auf, die Praktikabilität zu prüfen. Schön unterzog den Vereinheitlichten Ansatz einer Fundamentalkritik: Dieser führe nicht die ursprünglichen Ansätze weiter, sondern eröffne eine völlig neue Besteuerungsebene oberhalb der bisherigen, Mnuchins Brief sei eine Chance, einen Schritt zurückzugehen. 

Länderberichte

Besteuerungsentwicklungen im Ausland bildeten den Gegenstand des Panels Internationales Steuerrecht II. Länderberichte präsentierten Comolet-Tirman (BNP Paribas), Mayr (öst. BMF), Blessing, Stack (Deloitte, Washington) und Williams. Frankreich bleibt unter den OECD-Staaten das Land mit der höchsten Steuerbelastung. Einen entgegengesetzten Weg beschritt Österreich: Mit dem StRefG 2020 wurde der erste Teil des Programms „Entlastung Österreich“ umgesetzt (u. a. Anhebung der Grenzen für GWG und Kleinunternehmer, Betriebsausgabenpauschalierung). Nach FORG gibt es nur noch 4 Finanzämter. Neben weiteren Entlastungen ist eine ökosoziale sowie eine Strukturreform geplant: U. a. soll es nur noch eine Einheitsbilanz geben (UGB-Bilanz). Blessing und Stack verdeutlichten die Relevanz regulatorischer Hinweise zu den Vorschriften der US-Unternehmenssteuerreform; sie binden auch die Gerichte. Williams und Stack kommentierten den 2-Säulen-Ansatz aus UK/US-Perspektive. 

Beihilfe, Missbrauch, Hinzurechnungsbesteuerung – CFC, Treaty Shopping, Anzeigepflichten

Im Panel Internationales Steuerrecht III (Beihilfe, Missbrauch, Hinzurechnungsbesteuerung – CFC, Treaty Shopping, Anzeigepflichten) befasste sich Binrnbaum (SAP) mit praktischen Umsetzungsfragen der Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen“ anhand von Fallbeispielen Wesentliche Begriffe seien nicht definiert, es gebe weder Schwellenwerte noch „weiße“ Listen oder eine Subsidiaritätsregelung. Offen sei, ob nach der Meldung gem. DAC 6 noch eine Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen möglich ist. – Der Referentenentwurf eines ATADUmsG wurde nicht wie geplant am 18.12.2019 vom Bundeskabinett verabschiedet. Einen von Scholz den an der Verstärkten Zusammenarbeit (VZ) beteiligten Staaten vorgelegten neuen Richtlinienentwurf für eine Finanztransaktionssteuer, der sich an die französische Aktienumsatzsteuer anlehnt, hält Mayr für ein falsches Signal; Österreich habe der Kommission mitgeteilt, dass es sich im Falle einer Beibehaltung des Entwurfs aus der VZ zurückziehe. – Lienemeyer (EU-Kommission) erläuterte ein gegen Luxemburg ergangenes EuG-Urteil, in dem das EuG entschied (verb. Rs. T-755/15, T-759/15), die Kommission dürfe die Übereinstimmung von Verrechnungspreisentscheidungen mit den Regeln für staatliche Beihilfen überprüfen (keine Harmonisierung durch die Hintertür) und das arm’s length-Prinzip als Benchmark zur Bestimmung des Vorteils verwenden. Auf die Frage, ob Pillar 1 und 2 Gegenstand der Beihilfekontrolle sein könnten, antwortete GAin Kokott (EuGH), dass dies für jedes Gesetz gelte, das bestimmte Unternehmen/-Gruppen gegenüber anderen begünstige. Eine Mindestbesteuerung könne nach EuGH bei Missbrauch gerechtfertigt werden. Schön und Wiilliams äußerten den Wunsch, die Kommission möge bei der Beihilfenkontrolle von APA/Rulings „maßvoll“ sein. An der lebhaften Diskussion beteiligten sich Baker QC, Blessing. Eisgruber (BMF), Hey (Univ. Köln), Hierstetter (GE), Körner (VW), Schön und van Lishaut (FinMin NRW). 

Verrechnungspreise, § 1 AStG, Betriebsstättenbesteuerung

Wacker (VRiBFH) eröffnete das Panel Internationales Steuerrecht IV (Verrechnungspreise, § 1 AStG, Betriebsstättenbesteuerung) mit der Darstellung des Piloturteils I R 73/16 (BVerfG-Az. 2 BvR 1161/219), das die Rechtsprechung zur Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA (Rechtslage bis 2007) geändert hat („Konzernrückhalt“). Sieber (BMW) befasste sich mit den Folgen der Entscheidung für das konzerninterne Cash Pooling. 

Steuern auf Immobilien, Immobilienanlagen und –transaktionen

Erstmals war ein eigenes Panel zum Thema „Steuern auf Immobilien, Immobilienanlagen und –transaktionen“ im Programm. Das behandelte Themespektrum war weit. Schindler (Vonovia) illustrierte die Auswirkungen der Grundsteuerreform nach dem Bundesmodell und den derzeit diskutierten Alternativmodellen anhand von Modellrechnungen. Haucke Fuhlbrügge (IntReal International Real Estate) widmete sich dem Dauerthema Immobilien und Gewerbesteuer und Remmel (Deutsche Bank) verdeutlichte abschließend, welche komplexen Probleme sich bei der Strukturierung von Immobilien-Spezialfonds nach neuem Recht stellen können. Fachkundig kommentiert wurden die Beiträge von Konrad (Bay. StMFH). 

Prof. Dr. Michael Stahlschmidt M.R.F. LL.M. MBA LL.M, RA, Ressortleiter Steuerrecht BB, und Maria Wolfer, Redakteurin BB/EWS/ZVglRWiss