(C) EricxAudras B33876323

BAG: Eingruppierung einer Sachbearbeiterin – Darlegungs- und Beweislast – Anwendbarkeit der Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung bei Überleitung in eine neue Vergütungsordnung

Das BAG hat mit Urteil vom 27.4.2022 – 4 AZR 463/21 – wie folgt entschieden:

1. Das für einen Eingruppierungsfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht auch dann, wenn eine Klägerin die (zukünftige) Erfüllung einer höheren, konkret bezeichneten Vergütung für einen bereits bei Klageerhebung in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstrebt (Rn. 12).

2. Gemäß § 29 TVÜ-VKA gelten für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2016 hinaus fortbesteht, ab dem 1. Januar 2017 für Eingruppierungen die §§ 12, 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Nach § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA erfolgt die Überleitung grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit (Rn. 16).

3. Eine Eingruppierung nach § 12 TVöD/VKA setzt bei unveränderter Tätigkeit über den 31. Dezember 2016 voraus, dass sich aufgrund der zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA eine höhere Entgeltgruppe ergibt, und die Beschäftigte bis zum 31. Dezember 2017 eine dementsprechende Eingruppierung beantragt hat („Höhergruppierungsantrag“), § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA (Rn. 17).

4. Die Darlegungs- und Beweislast für eine höhere Eingruppierung obliegt in einem Prozess grundsätzlich der Beschäftigten. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Vergütungsgruppe, kann sich die Beschäftigte jedoch auf die ihr zuvor als maßgebend mitgeteilte Vergütungsgruppe berufen. Dann hat die Arbeitgeberin die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung darzulegen und zu beweisen (Rn. 27).

5. Die Grundsätze zur korrigierenden Rückgruppierung finden auch bei einer – formellen – Umgruppierung aufgrund einer Überleitung in eine neue Vergütungsordnung Anwendung, wenn die jeweiligen maßgebenden allgemeinen Eingruppierungsregelungen einander weitgehend entsprechen und der Eingruppierung ein identisches Tätigkeitsmerkmal zugrunde liegt (Rn. 29).

6. Die Grundsätze zur korrigierenden Rückgruppierung gelten auch, wenn durch die Änderung der Bewertung der Tätigkeit durch die Arbeitgeberin einem (ggf. erst später möglichen) Höhergruppierungsantrag nach § 29b TVÜ-VKA die Grundlage entzogen wird. Es handelt sich um eine von ihr gewollte Abkehr von der der Beschäftigten früher mitgeteilten und in der Folgezeit praktizierten Eingruppierung, die in ihrer Wirkung einer sich unmittelbar auf die Vergütung auswirkenden Rückgruppierung gleichsteht (Rn. 30 ff.).

7. Der für die Anwendung der Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung erforderliche „begrenzte Vertrauensschutz“ der Beschäftigten wird bereits durch eine Mitteilung der Bewertung der Tätigkeit seitens der Arbeitgeberin in der Stellenausschreibung begründet, wenn keine Anhaltspunkte bestehen, die Arbeitgeberin habe ihre Auffassung bereits vor Vertragsschluss geändert (Rn. 41 ff.).

8. Die Arbeitgeberin muss bei Anwendung der Grundsätze zur korrigierenden Rückgruppierung die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher angenommenen Eingruppierung darlegen und ggf. beweisen. Eine objektive Fehlerhaftigkeit liegt vor, wenn es jedenfalls an einer der tariflichen Voraussetzungen für die als zutreffend mitgeteilte Eingruppierung fehlt und daher die Vergütungsgruppe nicht diejenige ist, in der die Beschäftigte tarifgerecht eingruppiert war (Rn. 27, 47).

9. Die Bestimmung von Arbeitsvorgängen im Sinne von § 12 Abs. 2 TVöD/VKA ist eine Rechtsfrage und damit Aufgabe des Gerichts. Die jeweils darlegungsbelastete Partei muss aber neben der Darstellung der Arbeitsinhalte Angaben insbesondere zu den Arbeitsergebnissen, zu den Zusammenhangsarbeiten und zur Abgrenzbarkeit der verschiedenen Einzelaufgaben machen, die dem Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ermöglichen (Rn. 52).

10. Zur Wahrung der Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TVöD/VKA ist erforderlich, dass die Anspruchstellerin zum Ausdruck bringt, sie sei Inhaberin einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung und bestehe auf der Erfüllung dieser Forderung. Einer ausdrücklichen Zahlungsaufforderung bedarf es nicht (Rn. 59).

11. Ein Antrag auf Höhergruppierung nach § 29b TVÜ-VKA kann zugleich die Geltendmachung einer höheren Vergütung iSd. § 37 Abs. 1 TVöD/VKA zum Inhalt haben. Das ist in jedem Einzelfall zu prüfen (Rn. 60).

(Orientierungssätze)