IMAGO / Panthermedia

© IMAGO / Panthermedia

BMJ: Virtuelle Hauptversammlung soll bleiben – Referentenentwurf veröffentlicht

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Möglichkeit geschaffen, Hauptversammlungen ausschließlich im virtuellen Format abzuhalten. Vor dem Hintergrund der grundsätzlich positiven Erfahrungen und der fortschreitenden Digitalisierung des Aktienrechts soll die virtuelle Hauptversammlung als dauerhafte Regelung im Aktiengesetz (AktG) eingeführt werden. Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium der Justiz heute einen Referentenentwurf veröffentlicht und an Länder und Verbände verschickt Gelegenheit mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16.3.2022.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt:

„Wir gehen mit der virtuellen Hauptversammlung den nächsten Schritt bei der Digitalisierung des Gesellschaftsrechts. Aus einem coronabedingten Provisorium wird eine dauerhafte Möglichkeit. Dabei werden jedoch die Aktionärsrechte deutlich gestärkt: Künftig soll es Mindeststandards für die Aktionärsrechte wie etwa eine Redemöglichkeit in der Versammlung und ein Nachfragerecht für alle Aktionäre geben. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass das virtuelle Format für die Unternehmen praktikabel bleibt. Mit den vorgeschlagenen Regelungen setzen wir ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zügig um und bringen die Digitalisierung des Aktienrechts voran.“

Durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) haben Aktiengesellschaften und verwandte Rechtsformen in der Bundesrepublik Deutschland erstmals die Möglichkeit erhalten, ihre Hauptversammlungen als ausschließlich virtuelle Hauptversammlungen, das heißt, ohne physische Präsenz sämtlicher Aktionäre abzuhalten. Das GesRuaCOVBekG tritt mit Ablauf des 31. August 2022 außer Kraft.

Damit Aktiengesellschaften künftig dauerhaft von der virtuellen Hauptversammlung als zusätzlicher Form der Versammlung Gebrauch machen können, wird im AktG eine Möglichkeit dafür geschaffen, dass die Satzungen der Gesellschaften entsprechende Bestimmungen oder Ermächtigungen des Vorstands vorsehen können. Die Abhaltung der Versammlung als virtuelle Hauptversammlung wird an einige Voraussetzungen geknüpft. Zudem wird für die einzelnen Aktionärsrechte festgelegt, wann und in welcher Form diese im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung zu gewähren sind. Angesichts dessen, dass sich die für die Versammlung relevanten Informations- und Entscheidungsprozesse immer mehr in das Vorfeld der Hauptversammlung verlagern, trägt der Referentenentwurf dieser Tatsache Rechnung, indem er künftig auch die Ausübung der Rechte zum Teil in das Vorfeld verlagert. Der Ablauf und der Prozess der Hauptversammlung werden dadurch entzerrt, die Auskunftsmöglichkeiten der Aktionäre werden gestärkt.

Der Entwurf sieht im Einzelnen u. a. vor:

  • In das AktG soll ein neuer § 118a als zentrale Vorschrift der virtuellen Hauptversammlung eingefügt werden. Die Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung bedarf einer Grundlage in der Gesellschaftssatzung, so dass die Aktionäre über deren Format entscheiden. Die Präsenzversammlung bildet damit weiterhin die Grundform der Hauptversammlung. Die Regelung in der Satzung oder eine entsprechende Ermächtigung des Vorstands muss auf bis zu fünf Jahre befristet werden, um die Legitimation der Entscheidung regelmäßig zu erneuern.
  • Die Abhaltung der Versammlung als virtuelle Hauptversammlung wird zum Schutz der Aktionäre u. a. an folgende Voraussetzungen geknüpft:

– Die gesamte Versammlung ist in Bild und Ton zu übertragen.
– Es ist die elektronische Stimmrechtsausübung der Aktionäre zu ermöglichen.
– Aktionäre müssen Anträge in der Versammlung elektronisch stellen können (etwa Antrag zur Abwahl des Versammlungsleiters).
– Die Aktionäre erhalten ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation. Dieses Auskunftsrecht kann, wie in der Präsenzversammlung, im Versammlungstermin gewährt werden. Der Vorstand kann allerdings auch entscheiden, dass Aktionärsfragen bis spätestens vier Tage vor dem Versammlungstermin einzureichen sind. In diesem Fall erhalten die Aktionäre in der Versammlung ein Nachfragerecht.
– Zur Verbesserung der Transparenz ist der Bericht des Vorstands oder dessen wesentlicher Inhalt bereits vor der Versammlung den Aktionären zugänglich zu machen.
– Alle Aktionäre erhalten die Möglichkeit, Stellungnahmen im Vorfeld der Versammlung einzureichen, die den Aktionären zudem ebenfalls zugänglich zu machen sind.
– Es wird eine Redemöglichkeit in der Versammlung für alle Aktionäre im Wege der Videokommunikation vorgesehen. Damit diese für die Emittenten beherrschbar bleibt, wird der Gebrauch an ein Vorverfahren geknüpft (etwa Möglichkeit zur Festlegung eines Zeitraums für die Gesamtheit der Redebeiträge sowie einer Anzahl von Redebeiträgen in der Einberufung, die nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden).
– Es ist den elektronisch zur Versammlung zugeschalteten Aktionären eine Widerspruchsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen.

  • Um Anfechtungsrisiken für die Gesellschaften abzumildern, werden die bestehenden Vorschriften des Aktiengesetzes, die Anfechtungsmöglichkeiten im Falle technischer Störungen begrenzen, auf die virtuelle Hauptversammlung ausgedehnt. Über solche technischen Störungen hinaus ist das Anfechtungsrecht eröffnet.
  • Die virtuelle Hauptversammlung enthält keine Einschränkung bezüglich in ihr zu behandelnder Gegenstände.
  • Neben Aktiengesellschaften erfasst das Gesetz auch die Versammlungen der verwandten Rechtsformen Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), Europäische Aktiengesellschaft (SE) und Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG).

Der Referentenentwurf ist abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Einfuehrung_virtueller_Hauptversammlungen_Aktiengesellschaften.html

(PM BMJ vom 10.2.2022)